Der Sonne hinterher - Teil IV
Donnerstag, 09.09.2010: Öl auf der Autobahn!
Vassbotten - Falkenberg, 328 Km
Was für ein Morgen! Es gibt kaum schönere Orte, um wach zu werden als in einem Zelt an einem See bei Sonnenschein. Zwar weht immer noch ein recht strammes und ziemlich kühles Lüftchen, aber dieses Lüftchen ist so frisch und rein- man möchte es auf Flaschen ziehen und mitnehmen. Der See ist richtig kabbelig, kleinere Wellen schlagen an den Strand. Die Zelte sind in der steifen Brise schon gelüftet und getrocknet, als wir daraus hervorkriechen- also packen wir gleich ein und fahren zeitig los. Frühstücken wollen wir unterwegs. An dieser Stelle soll noch kurz das patentierte "Drei-Socken-System-zur Fußwärmung nach Markus" erklärt werden. Wenn ich seine wissenschaftliche Methode der Wärmeisolierung in der Fußregion richtig begriffen habe, dann geht das so: Direkt auf der Haut trägt man ein frisches Paar Socken. Darüber kommt als zweite Schutzschicht jenes Paar, das man gestern auf der Haut getragen hat. Hier kann es noch einmal temperaturregulierend wirken, ohne in den dichten Motorradstiefeln ein allzu starkes Eigenaroma zu entwickeln. Dieses Paar wandert am Abend dann in den Wäschesack. Über diese Mittellagenisolierung zieht man als letzte Sch(m)utzbarriere schließlich noch ein dickes Paar Wollsocken o. ä., das niemals mit der Fußhaut in Berührung kommt und darum auch niemals gewechselt zu werden braucht. Man hat aber kaum was gerochen.
Fußwärmeisdolierung System "Markus": Drei Socken für ein Halleluja.
Kaum vom Campingplatz runter, finden wir einen kleinen Supermarkt, in dem wir unsere Nahrungsmittelvorräte ergänzen. Außerdem kaufen wir wieder frisches Obst, denn zum Frühstück soll es einen frischen Obstsalat... aber das hatten wir ja schon. Das Bild, wie zwei Kerle mit ihren Motorrädern am Straßenrand vor einem offenen Seitenkoffer stehen und Obst schälen und schnippeln, wird trotzdem einen gewissen Unterhaltungswert für Passanten gehabt haben.
Mit vollem Bauch schwingen wir uns wieder in den Sattel (respektive auf die Sitzbänke). Seit unserer Ankunft in Jelsa bin ich meist voraus gefahren, doch nun lasse ich mich von Markus führen. Er hat unterwegs in einem Buchhandel gestern noch rasch eine aktuelle Straßenkarte von Schweden gekauft, und da ich seit der norwegischen Grenze über kein eigenes Navigationsmaterial mehr verfüge, vertraue ich mich meinem Reisegefährten an. Leider ist die Karte (es war die einzige, die sich nach dem Besuch mehrerer Läden und Tankstellen finden ließ) ziemlich grob. Eingezeichnet sind nur Autobahnen und größere Überlandstraßen, demzufolge hat auch der Scout vor mir praktisch keine Chance, schöne Strecken zu finden. Trotzdem sind wir froh, wenigstens diese Karte zu haben. Markus ist aber -bei einer Pause- einverstanden, daß ich mich auch nochmal nach einer Karte umsehe, wenn wir an eine Tankstelle kommen.
Bald darauf ist so etwas ähnliches wie eine Raststätte ausgeschildert. So deute ich zumindest die Schilder. Ich schalte zwei Gänge runter und lade voll durch. Mollys Motor brüllt auf, scheint seine Fesseln abzuwerfen und die ganze Maschine, beladen mit mir und dem ganzen Gepäck, springt wütend vorwärts. Ich sause an Markus vorbei, setze den Blinker und bedeute ihm, daß ich hier rausfahre. Wir rollen auf den Parkplatz, und meine Enttäuschung ist riesengroß: Das ist gar keine raststätte, sondern eine Art kleines Einkaufszentrum. Es gibt eine große Cafeteria, einen Spielwarenladen und ein Klamottengeschäft. Dazu drei Zapfsäulen- und das war's. Keine Tankstelle mit Shop, kein Kiosk, kein nichts. Ich laufe noch ein wenig hin und her und sucher herum- es hat aber keinen Zweck. Eine Karte werde ich hier nicht kaufen können.
Wieder zurück am Motorrad sehe ich die Bescherung schon von weitem: Unter Mollys Motor hat sich eine ansehnliche Öllache gebildet. Es tropft noch weiter nach- das Öl stammt also tatsächlich aus dem Inneren meines Motorrades. Jetzt fällt es mir auch auf: Meine Stiefel, die untere Hälfte der Maschine, die Koffer- alles ist mit Öl besudelt. Anscheinend ist irgendwas kaputtgegangen, als ich den Motor eben hochgerissen habe. Heiliger Ansgar (diesen Ausspruch habe ich natürlich am Pannenfahrzeug nicht getan. Mein Fluch dortselbst war um mehrere Härtegrade herzhafter), das hat mir noch gefehlt! Eine Panne- und das mir als technischem Legastheniker! Okay, bei einem knapp 20 Jahre alten Motorrad, dessen Gesamtlaufleistung sich zart um die 100.000 Km bewegt, muß man sowas schon mal rechnen. Ich knie nieder, und versuche zu orten, wo das Öl herkommt. Der gesamte Motorblock ist aber versifft, es ist nichts zu erkennen. Das Öl scheint irgendwo von oben aus dem Bereich der Ventildeckeldichtung zu kommen, aber erkennen läßt sich nichts. Immer noch knieend starte ich den Motor, und sofort ergießt sich ein Schwall heißen Öls von oben über das Aggegat. Schnell schalte ich wieder ab.
Wo jetzt nach der Leckstelle suchen? Ich rufe meine Freunde Claus und Meikel in Hamburg an. Claus betreibt eine freie Motorradwerkstatt in Hamburg, Meikel ist versierter Profischrauber, der in der Werkstatt gelegentlich aushilft. Beide fahren genauso eine GSX 1100 G, wie Molly eine ist- und beide kennen jede Schraube und jeden Bolzen mit Vor- und Nachnamen, Lebensgeschichte und Kinderkrankheiten. Claus hat sofort eine Idee, und beschreibt mir, daß oben auf dem Ventildeckel mehrere Schrauben sitzen müßten, von denen sich eine gelockert haben könnte. Die Symptome sprächen sehr dafür. Ich überprüfe die genannten Schrauben mit verbogenen Fingern- alles bombenfest. Scharfauge Markus entdeckt den Fehler aber als Erster: Ein Flansch direkt neben den untersuchten Schrauben hat sich gelöst. Damit ist die Ölleitung, die von der Pumpe kommt, nicht mehr mit dem Ventildeckel verbunden und versprüht des Motors Lebenssaft munter in der Gegend. Die Sauerei ist unbeschreiblich. Sollten wir es aber schaffen, an die beiden Schrauben des Flanschs heranzukommen und sie wieder festzuziehen, dann sollte eigentlich alles wieder dicht sein. Wie erreichen wir nun bloß diese beiden Dinger? Wir bauen Molly die Sitzbank ab, die Seitenverkleidungen, den Tank- und da liegt der Flansch offen vor uns. Ich zücke den Inbusschlüssel, ein paar Umdrehungen, ein Testlauf- alles dicht! Erleichtert bauen wir mein Motorrad wieder zusammen und sagen in Hamburg Bescheid: Fehler gefunden und behoben! Da man mein handwerkliches Geschick dort nur zu gut kennt, ist man zwar vom ERgebnis meiner Bemühungen noch nicht vollkommen überzeugt, wünscht mir aber alles Gute. Und empfiehlt mir, die ADAC-Karte nicht zu weit nach unten in den Koffer zu legen. So ist das nunmal im Leben: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen...
Noch ein schneller Blick ins Schauglas: Sogar genug Öl ist noch drin. Der Weiterfahrt steht nichts im Wege! Beispielhaft ist übrigens die Hilfsbereitschaft der Schweden (zumindest derjenigen, die wir getroffen haben). Ich hatte Molly noch nicht mal ganz an die Seite geschoben und auf dem hauptständer aufgebockt, da kam ein jüngerer schwedischer Waldarbeiter angelaufen und fragte auf Englisch (was ihm sichtlich schwerfiel), ob wir Schwierigkeiten hätten und Hilfe bräuchten. Er hatte sogar schon eine Vertragswerkstatt ausfindig gemacht und die Ladefläche seines Pick-up leergeräumt, um mich und mein Motorrad notfalls dorthin bringen zu können. Wahnsinn! Gottseidank war das ja am Ende nicht nötig, aber es war doch sehr tröstlich, einen Einheimischzen an der Seite zu haben.
Schon kommt aber mit Riesenschritten ein neues Problem auf mich zu: Molly bekommt so ganz langsam brennenden Durst- aber an den Tankstellen auf dem Weg kann ich für sie kein Benzin kaufen. In Schweden scheint das Bargeld genauso abgeschafft zu sein wie der Tankwart (oder zumindest die Tresenkraft im Kassenhäöuschen): Überall nur Kartenzahlung, meist sogar direkt an der Zapfsäule. Das wäre ja auch an sich kein Problem, wenn ich nur die Anweisungen im Display der Kartenautomaten lesen könnte. Leider lassen die sich aber nicht auf Englisch umstellen, und des Schwedischen bin ich nicht mächtig. Irgendwann erbarmt sich ein älterer schwedischer Autofahrer und hilft mir, die Sprache zu entschlüsseln. Da habe ich aber anscheinend schon soviel falsch gemacht, daß die Software abgestürzt ist und auf nichts mehr reagiert.
Im extremen Schleichgang erreichen wir schließlich doch noch eine Tankstelle alter Schule, mit Kassenhäuschen und Personal- und dort wird mir geholfen. Angenehmerweise kann ich dort auch eine Landkarte kaufen, die die Strecken erheblich detaillierter darstellt als der Notkauf von Markus. Sehr viel entspannter folgen wir nun der Landstraße. Wir sind gerade wieder so richtig schön im Rhythmus, da sehen wir von weitem Bremslichter aufleuchten. Ein Stau! Wir stellen uns brav hinten an. Nach einer Viertelstunde fällt uns auf, daß sich nichts bewegt- uns aber auch niemend auf der anderen Spur entgegenkommt. Vorsichtig schwenken wir aus und fahren an der langen, langen Schlange vorbei bis ganz nach vorne. Dort sortiueren wir uns wieder ein. Nunmehr haben wir einen freien Blick auf den ganzen Schlamassel: 400 Meter weiter hat sich ein schwerer Unfall sich ereignet, die Straße ist voll gesperrt.
Wir können auf die Entfernung mindestens zwei völlig demolierte PKW ausmachen, sowie haufenweise Polizeiautos, Feuerwehr und Krankenwagen - ein Meer aus zuckenden Blaulichtern. Ein ziemlich gruseliger Anblick. Wir vermeiden es, allzu genau hinzugucken. Markus hat im Laufe seiner Dienstjahre schon viel zu oft an selbst an solchen Freiluftveranstaltungen teilnehmen müssen, und ich war noch nie ein Gaffer. Über unseren Köpfen schwebt donnernd ein Rettungshubschrauber ein und landet direkt neben der Straße auf einer Wiese. Oje, das scheint hier noch länger zu dauern. Auf der Karte habe ich zwar eine Alternativroute gefunden, bin mir aber unsicher, ob die wirklich so zu fahren ist, wie es auf dem Papier den Anschein hat. Zumal niemand aus dem Stau ausschert, um diese Strecke zu fahren. Der Hubschrauber beschleunigt unsere Entscheidungsfindung aber dramatisch, und wir beschließen, unser Glück zu probieren. Es klappt! Wir können die Unfallstelle weiträumig umfahren. Abseits der Hauptstrecke passieren eine Ortschaft namens Bullerbyn- allen Astrid-Lindgren-Fans (und wer unter 12 Jahren war das nicht) besser bekannt unter dem deutschen Namen "Bullerbü". Leider kommt es mir erst in den Sinn, ein Foto zu machen, als wir schon etliche Kilometer weiter gefahren sind...
Die Panne, der Benzinmangel, die gesperrte Strecke, der Umweg: Alles das hat viel Zeit gekostet. Wenn wir morgen abend in Dänemark sein wollen, müssen wir jetzt ein paar Meilen machen. Die Gegend sieht eh aus wie zuhause, darum beschließen wir, einen großen Rutsch auf der Autobahn zu machen.Wir fahren zunächst Richtung Göteborg und dann weiter Richtung Malmö. Auf diese Weise erreichen wir doch noch einen guten Tagesschnitt undf fahren durch bis nach Falkenberg. Hier stoßen wir auf ungeahnte Schwierigkeiten: Die Campingplätze sind bereits geschlossen, die Saison ist vorbei. Ineiner steht sogar ein (deutsches) Schild: "Auf Wiedersehen 2010- Willkommen zurück in 2011!". Ah ja. Auf dem nächsten Platz ist zwar auch kein Camper zu sehen, aber es ist auch kein zaun, Tor oder Gatter vorhanden. Weiter hinten sehen wir den angeranztesten VW Bus, der mir je unter die Augen gekommen ist. das Vehikel hat ein polnisches Kennzeichen und gehört einem Handwerker, der die umliegenden Hütten frisch anstreicht. Der Pole ist zwar kaum zu verstehen, aber sehr nett. Er will mir die Nummer seines Auftraggebers geben. Leider kann ich kein polnisch- und er kein Englisch. Und kein Deutsch. Aus seinem "dwóch-dwóch-pięć-sześć-sześć" werde ich aber nicht schlau. Der Mann ist daraufhin so freundlich, den Platzbesitzer zuhause anzurufen. Jetzt reicht er mir das Telefon. Der Chef sagt, wir sollen uns einfach irgendwo hinstellen, er käme dann am nächsten Morgen gegen 09:00 Uhr raus. Irgendwo auf dem Platz campiere noch ein deutsches Pärchen mit Wohnmobil, die hätten eine Lochkarte für Toilette und Dusche. Es stellt sich dann heraus, daß es sich um ein freundliches Kneipierspaar aus Treuenbrietzen handelt, das seine Tour gerade erst begonnen hat und noch viel weiter nach Norden will. Damit fährt es genau in die Schlechtwetterfront, vor der wir schon seit Tagen erfolgreich wegfahren- immer der Sonne hinterher!
Freitag, 10.09.2011 - Unter Wasser über's Wasser
Falkenberg - Böbs, 774 Km
Heute morgen werde ich vom Trommeln des Regens auf dem Zeltdach wach. Es scheint ziemlich heftig zu regnen, denn ich meine auch, direkt neben den Zelten das Murmeln eines Rinnsals zu vernehmen. Ich habe noch überhaupt keine Lust, aufzustehen und in den Regen hinauszugehen. Langsam dämmere ich nochmal weg. Das Trommelfeuer der großen Tropfen wird aber kaum weniger, und so schäle ich meinen Kadaver schließlich doch aus dem Schlafsack und mache mich auf den Weg zum Waschhaus. Duschen fällt heute morgen aus, denn für die Brause braucht man schwedische Münzen- die ich nicht habe. Stattdessen setze ich meinen Luxuskörper vor dem Waschbecken unter Wasser. Kostenlos ist zwar auch nur das kalte Wasser, aber sauber werde ich damit auch. Und für den überschwemmten Boden steht ein Gummiabzieher bereit. Draußen duscht es immer noch. Von Markus ist noch nichts zu hören und zu sehen. An Teekochen ist bei dem Wetter nicht zu denken. Ich schlüpfe in meine Regenklamotten und fange an, mein Zeug zu verpacken. Zuerst das trockene Zeug aus dem Zelt, schließlich das Zelt selber. Es ist jetzt 08:15 Uhr, der Campingwirt wollte gegen 09:00 Uhr kommen. Ich habe gerade alles verpackt, und aus dem Zelt nebenan dringen auch die ersten zarten Grunzlaute, da kommt der Platzbesitzer um die Ecke.
Der Mann wirkt wie ein Schlitzohr- aber in Markus findet er seinen Meister. Ich deute an, daß ich gleich zu ihzm in die Rezeption kommen und die Platzmiete per EC-Karte begleichen werde. Der Schwede guckt mich entgeistert an: Das Gerät sei gar nicht mehr angeschlossen, die Saison sei ja vorüber. In dem Fall müßte ich noch rasch zum bankautomaten fahren, denn Svenska Peseta hätte ich nicht im Portemonnaie. Er akzeptiere auch Euros, meint der Campingmensch. Ich weiß genau, daß ich an Bargeld noch 43 Cent oder so in der Tasche habe, denn Euro habe ich in den letzten anderthalb Wochen nicht benötigt, und die Nökse habe ich alle ausgegeben. In diesem Moment wird Markus richtig wach und der Reißverschluß seines Zeltes öffnet sich. Ich stupse ihn an: "Hast DU noch Oiro im Beutel?" - "Ja, aber nur Zehn!" Ich übersetze dem Wirt diese Aussage. Jener macht nun ein merkwürdig steinernes Gesicht. Mir habe es satt, hier im Platzregen herumzustehen, ich will nur die Zeche zahlen und losfahren. Mit entschlossener Miene bitte ich also um Auskunft, wo denn der nächste Geldautomat sei, ich würde Schwedenkronen holen und gut ist. Nun kommt Bewegung in die Verhandlungen: Der Mann ist mit den 10 schwarzverdienten Mäusen zufrieden. Damit hatte ich nicht gerechnet und gucke ihn verblüfft an. Markus schaltet schneller und drückt mir schnell den Zehner in die Hand, ich reiche das Geld weiter. Hochzufrieden vor sich hinsummend wünscht uns der freundliche Herr noch einen guten Heimweg. Markus guckt von unten aus dem Zelt: "Isser weg?" - "Ja...?" - "Puh. Ich dachte schon, ich müßte ihm die anderen fünf Euro auch noch geben!" Der Junge ist mittlerweile dermaßen abgebrüht, es macht mich starr vor Furcht und Staunen.
Im immer noch strömenden Regen verpacken wir auch Markus' Sachen. Die Helme und die Fahrklamotten haben wir vorhe schon unter dem Dach der Freiluftküche deponiert, damit wir wenigstens die ersten 100 Meter etwas Trockenes am Leib haben. Zügig verlassen wir den feuchten Platz. Wir sind kaum unterwegs, da läßt der Niederschlag etwas nach und geht vom durchdringenden Platz- in einen etwas sanfteren Landregen über. Zum Glück halten unsere Regenklamotten dicht. Wir folgen weiter der Autobahn, wir wollen baldmöglichst Malmö und die Brücke nach Dänemark erreichen. Das sind rund 200 Km. Mitten in Dänemark wollen wir noch eine Nacht zelten, morgen wollen wir dann weiterfahren bis nach Böbs. Das liegt in der Nähe von Lübeck (Schleswig-Holstein), dort wohnt meine Schwester mit ihrer Familie. Nachdem wir dort die Nacht verbracht haben werden, wollen wir ganz entspannt und ausgeruht die letzten 200 Km bis nach Hause in Angriff nehmen. Soweit der Plan.
Die Realität sieht aber so aus: Wir fahren leicht verdrossen im strömenden regen über die Autobahn nach Malmö. Dort tanken wir nocheinmal und fahren dann über die riesige Öresundbrücke. Diese gewaltige Brücke ist sogar bei diesem Wetter sehr beeindruckend. Ich fahre einhändig über die stürmische Fahrbahn, mit der anderen Hand halte ich die Videokamera, um diese einmaligen Ausblicke mit nach Hause nehmen zu können. Bald erreichen wir die dänische Hauptstadt Kopenhagen auf der Insel Seeland. Die Stadt lassen wir links liegen und fahren gleich auf der Autobahn weiter. Es regnet immer noch, wenn auch nicht mehr ganz so stark. Trotzdem haben wir wenig Lust, die Bahn zu verlassen und uns auf Landstraßen weiterzubewegen. Beim nächsten Tankstop denken wir zum erstenmal laut darüber nach, die Zeltnacht in Dänemark auszulassen. Es regnet ununterbrochen, die Landschaft sieht aus wie in unserer Norddeutschen Heimat, die Zelte sind eh noch klatschnaß... Ziemlich schweigsam fahren wir weiter.
Mautstation an der Öresundbrücke
Das Wetter wird nicht besser, so weit wir auch fahren. Mittlerweile sind wir an der Storebaeltsbron, der Brücke über den Großen Belt, angekommen. Das ist jene gigantische Konstruktion, die wir vor fast zwei Wochen per Schiff unterquert haben (siehe Teil 1). Diese Brücke ist von oben betrachtet genauso respekteinflößend wie von unten. Auch hier nehme ich die Fahrt auf Video auf. Beim nächsten Tankstop fällen wir endgültig die Entscheidung: Kein Camping mehr in Dänemark. Stattdessen wollen wir durchfahren bis zu meiner Schwester. Ich zücke das Mobiltelefon und überrasche meinen guten Schwager damit, daß wir nicht erst wie verabredet am nächsten Tag aufschlagen werden, sondern bereits in ein paar Stunden. Ich höre gewissermaßen, wie der Ärmste große Augen macht. Er ist aber einverstanden, und so sitzen Markus und ich wieder auf und donnern weiter.
Fahren, tanken, fahren, tanken... auch so kann man einen Tag rumkriegen. Immerhin läßt der Regen jetzt allmählich nach. An der deutschen Grenze bekommt die graue Wolkendecke langsam Risse, und je weiter wir nach Süden vordringen, desto freundlicher wird der Himmel. Als wir gegen 20:00 Uhr nach über 770 Km im Sattel halbtot in Böbs ankommen, scheint sogar noch ein wenig die Sonne. Trotzdem sind wir froh, für diese eine Nacht nicht mehr die klatschnassen Zelte aufbauen zu müssen. Von der Verwandtschaft werdenh wir mehr als herzlich aufgenommen, und obwohl wir rechtschaffen müde sind, erzählen wir an diesem Abend noch lange von unseren Erlebnissen. Vom grünen Eimer, von Herrn Kanada, von hohen Bergen und tiefen Fjorden. Von kalten Nächten im Zelt, von waghalsigen Touren über schmale Schotterpisten und davon, wie einsam man sich im schwedischen Outback fühlt, wenn das Motorrad kaputt ist.
Erschöpft fallen wir schließlich in die Betten, um am nächsten Tag bei jetzt wieder strahlend blauem Himmel den restlichen Weg heim zu Frauen und Kind anzutreten, ganz entsprechend dem Motto dieser Tour fahren wir somit auch am nächsten Tag...
...der Sonne hinterher!
Folgenden Personen möchten wir sehr herzlich für Ihre Unterstützung danken:
Jens Schumacher, Wolfhard Klement und Michael Jäger von der Reederei
HJH Shipmanagement, Cadenberge
Kapitän Marvin O. Pelayo,
Chief Nicolasito B. "Nick" Albino
und der Besatzung des M/S "SPLITTNES"
Vielen Dank für Eure Hilfe und Gastfreundschaft!
Eine kleine Anmerkung noch: Elf Tage nach unserer Rückkehr, am 21.09.2010 lief die "SPLITTNES" in Bremen ein und ich war -aus dem Urlaub zurück- ihr Agent. Im Hafen von Bremen wurde Nick Albino zum Kapitän befördert und übernahm das Kommando über die "SPLITTNES". Kapitän Pelayo fuhr von hier aus nach Hause in den wohlverdienten Urlaub.
Nochmal herzlichen Glückwunsch, allzeit gute Fahrt und gutes Wetter. Der Herrgott möge Dich vor Schiffbruch, Sturm und Inspektion schützen!
Zuletzt geändert am: 16.03.2011 um 16:21
Zurück zur Übersichtdu hast dich wieder selbst übertroffen. Wunderbar geschrieben, atemberaubende Fotos. Ich huldige dir meinen Respekt.
Andererseits muss ich ich dich aber auch ein wenig hassen. Du hast sowas jetzt scho zum 2ten mal erleben dürfen; ich konnte das noch nicht einmal.
Vielleicht verschlinge ich deine Berichte deswegen um so mehr, da ich meinen "Traum" wohl so leicht nicht erfüllen kann.
Ich wünsche dir weiterhin viele solcher traumhaften Reisen und skurilen Begegnungen; und mir wetierhin solch tolle Berichte von dir. *grins* Ganz seblstlos ^^
Lieben Gruß
WahookaA / Marc