Der Sonne hinterher

Veröffentlicht von Fraro am 11.01.2011

Die vier Kapitel "two persons, two motorcycles, tent" berichten ja von Markus' und meiner Reise durch Norwegen im Jahre des Herrn 2005. Fünf Jahre später haben wir die Reise fortgesetzt, fast an dem Ort, an dem wir das Land der Nordmänner zuvor verlassen hatten. Doch bis es soweit war, galt es einige Klippen zu umschiffen...

 


Dienstag, 31.08.2010: Alarmstart!

Garlstedt - Kiel, 271 Km

Schlechte Nachrichten.

Es kommt immer anders, als man denkt- und ein flexibler, spontaner, junger Reisekamerad ist Gold wert. Was auf den ersten Blick nach Plattitüde klingt, sind zwei Wahrheiten, die ich heute gelernt habe. Ich sitze hier an dem kleinen Schreibtisch in unserer Kammer an Bord eines Frachtschiffes und mache die ersten Eintragungen in mein Reisetagebuch. Das Schiff liegt im Scheerhafen in Kiel, und daß ich überhaupt hier sitze, hätte ich noch heute Nachmittag nicht für möglich gehalten. Denn eigentlich sollte alles ganz anders laufen...

Markus und ich haben in diesem Sommer beschlossen, eine weitere Expedition in das Land der Trolle und Fjorde zu unternehmen. Seit unserer letzten gemeinsamen Reise ist viel passiert. Wir haben beide geheiratet (aber nicht einander!), haben jeweils Häuser im Grünen gekauft (und sind jetzt auch fast Nachbarn), unser verlottertes Junggesellenleben aufgegeben und sind seßhaft geworden. Markus und Kristina (die flotte junge Dame aus Kapitel IV) sind obendrein inzwischen Eltern eines zauberhaften kleinen Jungen namens Erik geworden.

Erik der Große Kleine gibt den Blumenkavalier.

Gerade Erik war es aber, der diese Reise möglich machte: Markus war für einige Wochen in "Elternzeit", das ist wohl so eine Art langer Urlaub oder so. Jedenfalls mußte er eine Weile nicht zur Arbeit und war sehr flexibel, was das Reisedatum betrifft. Unser Plan war es, wieder per Schiff nach Norden zu reisen, aber diesmal wollten wir nicht bis ganz nach oben, sondern etwas mehr in das südliche Norwegen. Die "WESER STAHL" fiel als Beförderungsmittel also diesmal aus, denn dieses Schiff fährt bis weit hinter den Polarkreis nach Narvik. Wir konzentrierten unsere Bemühungen daher auf die Reederei, mit deren Schiff "STONES" wir beim letzten mal nach Hause gefahren waren. Dieses Unternehmen betreibt insgesamt sechs Schiffe, die alle ziemlich regelmäßig von Kontinentaleuropa nach Norwegen fahren; oft genug sogar von Deutschland oder gar Bremen aus. Auch diesmal sollte ein Schiff in Bremen löschen: Die "SANDNES" würde direkt im Anschluß wieder nach Jelsa fahren- und da wollten wir beide samt unserer Motorräder hin.

Leider verzögerte sich der Schiffsanlauf immer weiter, und statt am Sonntag sollte das Schiff nunmehr erst am Mittwoch oder Donnerstag kommen. Nun habe auch ich nicht endlos Urlaub, und wir wurden ein wenig nervös. Immerhin würde uns schon fast eine Woche fehlen, wenn wir erst am Donnerstagabend in Bremen ablegten. Schließlich entschieden wir uns um und beschlossen, uns in Emden auf der "FITNES" einzuschiffen. Dieser Dampfer sollte am Mittwoch gegen Mittag von Ostfriesland aus in See gehen. Markus und ich waren uns einig: Da fahren wir mit. Alles besprochen, Okay von der Reederei und vom Kapitän lag vor, nun hieß es warten. Am Dienstag nachmittag schlechte Neuigkeiten: Der Kapitän der "FITNES" rief mich zuhause an, um mir mitzuteilen, daß er eine neue Reiseorder erhalten habe: Statt nach Jelsa in Südnorwegen sollte seine Reise nun nach Lakselv gehen. Das ist ein verlorenes Kaff irgendwo im ganz hohen Norden und toll als Basis für eine Tour zum Nordkap (man ist schon fast da, wenn man in Lakselv ankommt), aber eher blöd für eine Rundreise durch Südnorwegen. Aber unter Streß funktioniere ich ja am Besten. Schnell einige Telefonate, und eine halbe Stunde später hatte ich eine andere Mitfahrgelegenheit:

Von Kiel nach Jelsa mit der "SPLITTNES".

Besonders wichtig: Ein gut organisierter Schreibtisch!

Kleiner Pferdefuß: Das Schiff lag schon in Kiel und sollte gegen Mitternacht auslaufen. Ein Blick auf die Uhr: 16:00 Uhr. In schneller Reihenfolge zucken mir folgende Gedanken durch mein armes, kleines Hirn: "Ich habe noch nicht gepackt. Markus weiß noch nichts von seinem Glück. Ich habe noch keinen Pfennig Geld in der Tasche. Molly (meine Suzuki) ist noch nicht reisefertig. Meine Ausrüstung ist noch nicht komplett. Egal! Das ist zu schaffen!" Markus war im Haus nebenan zu Besuch. Ich sprintete schnell rüber und keuchte ihn an: "FITNES ... fällt ... aus ... anderes Schiff ... gefunden ... ... müßten...*hust! hust!* ... aber... gleich ... los, ... Abfahrt... heute... Kiel?". Markus, der große Planer, hatte schon vor Tagen alles gepackt und antwortete nur "Klar! Wann starten wir?". Das Einpacken würde ich recht zackig erledigt haben. Wir verabredeten uns für 20:00 Uhr.

Jetzt aber mit System und Bedacht. Ich schlug wie ein Blitz auf dem Dachboden ein, raffte meine Campingsachen  zusammen und schleppte alles nach unten. In Gedanken pries ich die gute Svendura und ihre ausgeklügelte Packliste, die mir schon 2005 -mit leichten Anpassungen an meine eigenen Bedürfnisse- gute Dienste geleistet hatte. Erst später, gegen Ende der Reise, stellte sich heraus, daß ich wirklich fast NICHTS vergessen hatte, obwohl ich von 0 auf 100 in 4 Stunden aufrödeln mußte! Ich gebe zu, daß das ein Schlag ins Gesicht für die vielen kleinen Langzeitplaner und Allesvorbereiter da draußen ist... Irgendwie hatte ich zwischendurch noch eine Art Vision, und entgegen meiner sonstigen Gewohnheit packte ich auch noch einen ordentlichen Satz Werkzeug sowie einige Putzlappen und eine Flasche WD 40 ein. Zwischendurch noch schnell zur Bank und mein Taschengeld in Nökse (Norwegische Kronen) umtauschen. Einmal unterwegs noch einen Campingladen heimsuchen, Gaskartuschen für den Kocher kaufen. Spanngummis brauchte ich auch noch. Wieder zu Hause habe ich dann erstmal die Kofferträger an mein Motorrad angebaut. Um 20:21 Uhr saßen Markus und ich gestiefelt, gespornt und in jeder Hinsicht marschbereit auf unseren Motorrädern und verabschiedeten uns von unseren Familien.

Auf nach Kiel!

Den Weg nach in die Ostseemetropole  wollten  wir zügig auf der Autobahn bestreiten. Es war eh bereits fast Dunkel  als wir aufbrachen, die Gegend hier kennen wir bereits und brauchten sie nicht mehr anzugucken. Außerdem saß uns der Termindruck im Nacken, denn um Mitternacht sollte der Dampfer ja ablegen. Den ersten Stop machten wir am Autohof in Sittensen zwischen Bremen und Hamburg. Dort mußten wir erst einmal die Spritfässer unserer Maschinen für die 200 Km Autobahnetappe auffüllen.

Die Fahrt in den Osten Schleswig-Holsteins war ruhig und ereignislos. Die Autobahn war so leer, daß wir sogar weite Strecken mit Fernlicht fahren konnten. Außerhalb der zahlreichen Baustellen lag unser Tempo bei moderaten 130 Km/h, und ruck-zuck konnten wir auf die B 404 abbiegen. Die erste größere Tankstelle war wieder unsere, denn in schmerzvoller Erinnerung an die norwegischen Benzinpreise wollten wir diesmal mit vollem Tank in Skandinavien ankommen. Den Tankwart wollten wir auch gleich nach dem Weg in den Scheerhafen fragen, denn einen Stadtplan hatten wir nicht. Leider war Mädel hinter der Kasse wohl gerade auf dem Klo, als die Intelligent verteilt wurde. Obwohl äußerlich dunkelhaarig, war sie geistig doch SEHR blond.  Nachdem sie gute zehn Minuten auf uns eingestammelt hatt, ohne daß wir einer Wegbeschreibung auch nur rudimentär näher gekommen wären, entdeckten wir an der  Wand im Verkaufsraum einen Stadtplan von Kiel.  innerhalb von zwei Minuten hatten wir unseren Weg gefunden und uns eingeprägt. Schon saßen wir wieder im Sattel und starteten die Motoren. Nur kurz machten wir uns noch Sorgen, ob die Fachkraft für Benzinberechnung und Kaffeeausschank am nächsten Morgen wohl den Weg aus dem Verkaufsraum hinaus und nach Hause finden würde. Wir trösteten uns mit dem Gedanken, daß man sie wohl entweder abholen, Heimbringen oder für den Tag im Lager verstauen würde. Jedoch: Kiel war aus unserer Sicht ziemlich unübersichtlich, wir haben unterwegs sogar nochmal einen Taxifahrer angesprochen, ob wir denn überhaupt noch auf dem richtigen Weg seien. Waren wir, und 20 Minuten später gingen wir längsseits.

Der Kapitän hatte wohl vergessen, seine Mannschaft auf unser Kommen vorzubereiten, so daß die Augen der Decksleute erst einmal groß und rund wurden, als wir an Bord stiefelten. Die Wache informierte den Ersten Offizier, daß da einige seltsam gewandete Gestalten an Bord gekommen seien, die wohl mitfahren wollten. Der "Erste" kam war in Minuten unten- und erkannte in mir seinen Agenten aus Bremen.  Ich kenne ihn schon länger, er ist ein wacher, pfiffiger junger Mann namens Nicolasito "Nick" Albino. Nick stammt –wie alle Besatzungsmitglieder- von den Philippinen und hat einen intelligenten, herzlichen Humor. Er genießt bei seinen  Kameraden großes Ansehen, und da er auch sein Patent fertig hat, kann seine Beförderung zum Kapitän eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein.Ein bißchen schnelles Geschnatter auf Tagalog - und schon hellten die Mienen der Anwesenden sichtlich auf. Die verdatterte Überraschung wich sofort großer Hilfsbereitschaft. Man zeigte uns unser Quartier, half uns noch, unser Gepäck an Bord zu bringen und informierte uns dann, daß man wohl erst am kommenden Mittag gegen 13:00 Uhr auslaufen würde.  Wir hätten also noch in aller Ruhe die Nacht in unseren eigenen Betten verbringen können, am nächsten Tag mit Frau(en) und Kind frühstücken... Aber nun waren wir schon mal da, und nun blieben wir auch. Die "SPLITTNES" ist einen Happen kleiner als die Schiffe, mit denen wir bisher getrampt warten. Sie hat auch einen ziemlich kleinen Proviantkran, der auch für uns ziemlich ungünstig angebracht ist. Irgendwie mußten wir es auch noch schaffen, die Motorräder an Bord zu bringen und irgendwo abzustellen, wo sie nicht zu sehr im Weg und einigermaßen geschützt sein würden.  Aber an den Anblick, wenn meine Maschine an einem einzigen, dünnen Drahtseil in luftige Höhe schwebt, werde ich mich genausowenig jemals gewöhnen können wie mein werter Reisekamerad. Es ist einfach ein elend Hilfloses Gefühl. Ein kleiner Bums, nur ein Anstupsen- und der Urlaub ist gelaufen. Von den Folgekosten ganz zu schweigen, denn wir können ja schlecht die Reederei und die Besatzung, die uns so gastfreundlich aufnehmen, nachher auf Schadenersatz verklagen. Die fröhlichen Jungs an Bord sahen dieser Aufgabe wesentlich unverkrampfter entgegen als wir beide- und ich konnte es folgerichtig auch nur in allerletzter Sekunde verhindern, daß meiner armen Molly beim anhieven das Sitzbankschloß und ein Bremsschlauch amputiert wurden.

An Deck machte sich schnell Ratlosigkeit breit: Wohin nur mit den Motorrädern? Markus' Jeanette paßte gerade so unter eine Außentreppe, aber Mollys Platzbedarf war da schon deutlich größer. Schließlich wurde sie von den Seeleuten neben den Eingang zum Brückenhaus vor ein paar Schmierölfässer gelascht.  Wie schon vor fünf Jahren wurde viel Zeit und Sorgfalt darauf verwandt, die Yamaha meines sehr verehrten Gefährten zu sichern- während man um mein edles Motorrad nur mal eben ein Seil warf. Ich guckte wohl sehr zweifelnd, ob das auch sicher ist- aber die Jungs beruhigten mich: "It's all safe!"! strahlte mich ein Matrose an. Nick war allerdings weniger überzeugt: "This is no seamen's lashing! This is BABY lashing!". Und so wurde schließlich auch mein Fahrzeug etwas respektvoller festgebunden. Irgendwie hat ein nackter Kardantourer bei den Asiaten nicht das gleiche Renommee wie ein halbverkleideter Allrounder...

oben: Babylashing / unten: seamen's lashing

Nun schleppten Markus und ich unsere Gepäckstücke in die uns zugewiesene Kammer.  Auch hier wird deutlich, daß die "SPLITTNES" ein ganzes Stück kleiner ist als die Schiffe, mit denen wir bisher so unterwegs waren. Der Raum ist winzig- und DAS große Problem lautete: "Wohin bloß mit unseren Sachen?".   Es gibt zwar einen großen Schrank, der einen bedeutenden Teil des engen Raumes einnimmt, aber der ist bereits mit allem möglichen Krimskrams wie Rettungswesten und Putzeimern vollgestopft. Wir räumten ziemlich planlos von einer Ecke in die andere, traten uns gegenseitig auf die Füße und  entschieden dann, die Koffer und Rollen tagsüber auf den Betten zu verwahren und nachts auf dem Fußboden. Für Handtücher & Co. spannten wir ein Netz aus Gepäckgummis. Sieht ein bißchen so aus wie eine enge Gasse in Istanbul mit den aufgehängten Textilien, aber wir wollen ja auch keinen Schönheitspreis gewinnen. Ein Teil der Kammer ist als Schlafzimmer abgeteilt. Darin befindet sich ein Etagenbett. Markus opferte sich und nahm das obere Bett.  Er ist ja auch einiges jünger und sportlicher als ich. Wir wollten der Besatzung nicht mehr Umstände machen als nötig und verwendeten statt der vorhandenen  Bettwäsche unsere eigenen Schlafsäcke. Wir werden ja  nur zwei Tage an Bord bleiben, und nicht neun Monate wie die Besatzungsmitglieder. Alles in allem sind wir ganz kommod untergebracht, auch wenn unsere Kabine mit dem Campingequipment aussieht wie ein Laderaum.  Wir bedanken uns herzlich bei der Besatzung für die Unterbringung und die engagierte Hilfe. Es ist mittlerweile 03:00 Uhr nachts, und ich bin ziemlich platt. Jetzt mache ich noch diese Eintragungen ins Tagebuch und gleich werde ich schlafen gehen.

Das Letzte, was ich noch höre, bevor ich mich hinlege: Abfahrt wird gegen 13:00 Uhr sein. Norwegen, wir kommen!

 


Mittwoch, 01.09.2010: Nimm mich mit Kapitän, auf die Reise...

Kiel - See, 0 Km.

 

Wir werden am späten Vormittag wach. Da, wo wir hinfahren, lacht die Sonne von einem blauen Himmel voller Bob-Ross-Wolken. Ich habe nicht geschlafen. Vielmehr bin ich innerhalb von 90 Sekunden nach dem Zubettgehen in ein seliges Koma gefallen. Ich stehe auf, aber richtig wach werde ich erst nach einer Dusche. Das liegt aber nicht daran, das das Wasser so kühl oder erfrischend gewesen wäre, sondern daran, daß kaum Wasser aus dem Duschkopf kam und die ganze Aktion dementsprechend  lange gedauert hat. Was soll's- ich bin trotz Tröpfeldusche  sauber geworden.  Als nächstes steht eine kurze Putz- und Flickstunde auf dem Programm. Alles, was gestern Kontakt zur Außenwelt hatte, ist mit einer grauen Schlammschicht überzogen: Stiefel, Lederhose, Jacke, Gepäckstücke- alles hellgrau. Der Matsch läßt sich aber mit einem feuchten Lappen leicht entfernen. Danach gehen wir zum Mittagessen. Es gibt Koteletts mit Karottengemüse und Kartoffelpüree für alle Europäer und Fischköpfe und -schwänze für alle Filipinos. Nicht, weil die hart arbeitenden Jungs schlechter verpflegt würden als wir, sondern weil die das so wollen. Auf den Philippinen LIEBT man Fisch, und diesen hier ganz besonders. Ich weiß nicht, wie der heißt- aber  wenn man den mittendurch schneidet, dann hat man eben nur einen Kopf und einen Schwanz. Dazwischen gibt es kaum Körper.  Das hat für uns grauenhafte Ähnlichkeit mit Fischabfällen (und riecht auch so), aber die Seeleute gucken sehr verzückt beim essen.

Kiel und die Wolken lassen wir hinter uns

Pünktlich um 13:00 Uhr sind wir von Kiel abgefahren. Die See ist spiegelglatt, wir laufen rund 13 Knoten (rund 24 Km/h), am Freitagmorgen sollen wir gegen 06:00 Uhr in Jelsa festmachen.  Inzwischen haben wir auch Kapitän Pelayo getroffen, den Kommandanten.  Letzte Nacht, als wir an Bord kamen, hat er tief und fest geschlafen. Bei mir im Büro ist er als ziemlicher Nuschelkopp verschrien, und wie immer verstehe ich kaum ein Wort von dem, was er in atemberaubenden Tempo so sagt. Ich nicke nur freundlich, lächle wenn er lächelt und gucke ernst, wenn er ernst guckt.  Ich mag ihn aber trotz der Verständigungsprobleme eigentlich ganz gern, denn ich nehme an, daß er sehr nett ist.  Zumindest lächelt er immer sehr zufrieden. Als Gastgeschenk haben wir ihm eine Flasche Dornfelder mitgebracht. Lustigerweise haben wir damit genau seinen Geschmack getroffen und er freut sich halbtot.

Je weiter der Nachmittag fortschreitet, desto blauer wird der Himmel. Wenn das kein gutes Zeichen ist. Hier in der Kieler Förde fahren unheimlich viele Schiffe und sonstige Wasserfahrzeuge herum. Viele Kriegsschiffe, aber lustigerweise auch haufenweise Segelschiffe. Man kommt sich teilweise vor wie vor 200 Jahren. Dann kommt aber doch noch ein Motorboot längsseits und holt den Lotsen von Bord. Der Mann wird zu Lotsenstation transportiert, die hier in einem (alten?) Leuchtturm mitten im Wasser untergebracht ist.  Wir schippern aber weiter, dem Horizont entgegen und  erreichen bald die offene Ostsee. Abends gegen 19:00 Uhr passieren wir die Brücke über den Großen Belt, die "Storebaeltsbroen" zwischen den dänischen Inseln Fünen und Seeland. Wie groß dieses Bauwerk tatsächlich sit, kann man wohl nur ahnen, wenn man mit dem Schiff darunter hindurchfährt. Lange zeit denken wir, daß man da oben gar keine LKW sehen kann, nur ab und zu mal einen PKW. Als wir näher kommen, bemerken wir unseren Irrtum: Die kleinen Matchboxautos, die sich da oben langsam über die Brücke schieben, SIND die LKW. Normale Autos können wir von hier unten gar nicht sehen. Immer näher kommen wir dem TRumm. Meine Herren, was für eine riesige Konstruktion. Unterhalb der Brtücke können wir sehen, daß sie aus einem scheinbar endlos langen , zusammen genieteten Stahltrog besteht. Dieser Troig ist schwarz angestrichen- und hat hier und da Flecken von Rostschutzfarbe. Unwillkürlich fragt man sich, welche arme Sau die da hinpinseln mußte...

Der Ostteil der Storebaeltsbroen besteht aus einer 6,7 Km langen Hängebrücke. Die kleinen Böppelchen obendrauf sind große LKW...

Kriegt man so wohl eher selten zu sehen: Die Belt-Brücke von unten...

Obwohl ich mir sonst nicht so viel aus Bauwerken und Gebäuden mache, bin ich doch ziemlich beeindruckt, als wir zum Abendessen runtergehen.

Nach dem Essen stehen Sport und Spiel auf dem Programm: Markus hat im Fernsehraum eine Wii entdeckt. Die war scheinbar kaputt, aber mit ein bißchen Gefummel und mit den Batterten aus unseren Taschenlampen haben wir das FDing zum Laufen gebracht. Hier zeigt sich leider mal wieder, wie haushoch mir der aktive Sportler Markus motorisch überlegen ist- denn egal, welches der Sportspiele wir laden- er ledert mich haushoch ab. Nach einer Stunde habe ich keine Lust mehr zu verlieren und wir steigen aus dem Bauch des Schiffes wieder ganz nach oben, um der Sonne über der dänischen Küste beim Untergehen zuzugucken. Markus geht sodann schlafen, während ich noch wieder runtergehe. Zusammen mit den Seeleuten trinke ich noch ein Döschen dänisches Pils und wir sehen fern und klönen. Später hängt man mir noch eine Gitarre um und wir singen "Country Roads"- mehr laut als schön.-aber lustig!

 


Donnerstag, 02.09.2010: Auf See

Vom Belt durch Kattegat und  Skagerrak - ca. 550 Km

Wieder einmal haben wir den Vormittag verpennt. Aber was soll's wir haben schließlich Urlaub!  Ich liege im Schlafsack auf meiner Koje, das Schiff rollt leicht, und ich fühle mich wie ein Baby in der Wiege.  Fast hätte ich nach der Brust geschrien. Trotzdem stehen wir jetzt auf. Unsere schier endlose Reise mit der "WESER STAHL" wirkt auch immer noch nach. Die Älteren werden sich erinnern: Statt der geplanten drei  brauchten wir wegen eines schweren Sturms sechs Tage für die Überfahrt nach Narvik; zeitweise kam das Schiff gar nicht mehr von der Stelle oder fuhr sogar rückwärts. Darum ist nach der Tröpfeldusche unser erster banger Gang rauf auf die Brücke: Gucken, wo wir sind, wie schnell wir sind und wann wir ankommen werden. Alles im grünen Bereich: dDs Schiff läuft über 14 Kn, wir sind mitten im Kattegat und werden morgen früh pünktlich in Jelsa ankommen. Zwei strahlende Gesichter gucken oben aus dem Fenster und beobachten, wie eine dieser Speedfähren zwischen Norwegen und Dänemark vorbeidrischt. Mein lieber Herr Gesangverein, ist DAS Ding schnell! Hinten wirft es Wasser raus wie ein Rennboot. Von außen sieht es mit seiner wilden rot-weiß-blauen Lackierung und seinem futuristischen Rumpf aus wie eine Kreuzung aus Schiff, Stealthbomber und fliegender Untertasse. Schnell ein Blick auf das automatische Identifizierungssystem (AIS): Die beeindruckende Show wird uns geboten von der "FJORD CAT", und die hat über 48 Knoten drauf, das sind fast 100 Km/h! Das klingt nicht viel, aber es handelt sich um ein fast 100 m langes und 26 m breites Wasserfahrzeug, auf dem sich neben rund 650 Passagieren auch noch 200 PKW befinden. Staunenswert. Leider sind meine eigenen Bilder (wie so oft...) nichts geworden, aber die Reederei hat mir freundlicherweise ein Foto geschickt. -->HIER kann man sich auch ein nettes Video von dem Apparat in voller Fahrt angucken.

Das ist kein Überfall durch Außerirdische: Die "FJORDCAT".Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Fjordline

Überhaupt wird in diesen Gewässern was geboten: Kurz danach sichteten wir die "SuperSpeed 1" der Color Line, auf dem Weg von Hirtshals nach Kristiansand. Das ist auch ein sehr schnelles Schiff (wir haben sie mit 24 n gemessen), das sehr futuristisch geformt und gestrichen ist- vor allem aber wirkt es riesengroß (und ist mit über 211 m Länge auch nicht wirklich winzig)! Wir sind ganz schön beeindruckt, als wir zum Mittagessen runtergehen. Wir löffeln uns was vom Buffet auf den Teller. Es gibt eine Zwiebelfleischsuppe, Hähnchenbrustfilet, Paprikagemüse und dazu Reis. Ziemlich scharf, aber sehr lecker. Wir sind fast fertig mit dem Essen, da kommt der Smutje um die Ecke- mit einer extra für uns zubereitetem "europäischen" Mahlzeit. Große Augen auf beiden Seiten. Der Koch kann nicht begreifen, daß wir das philippinische Essen mögen, und wir sind überrascht, daß für uns eine Extrawurst gebraten wird. Nun sind wir fast satt und bekommen noch jeder zwei Frikadellen, eine große Portion Kartoffelpüree und einen ordentlichen Schlag sehr leckeres Mischgemüse. Wir wollen unsd ja beim Koch nicht unbeliebt machen (er hat sich ja viel Extra-Arbeit gemacht) und fangen wieder an zu essen. Wir schaffen diese Menge aber nur, weil wirklich alles sehr, sehr lecker ist.

Nach dem Essen machen wir einen Verdauungsspaziergang an Deck. Wir gucken, wie es den Motorrädern geht und haben auch noch etwas wichtiges vor: Einen Weg suchen. Nick hat uns erzählt, daß wir in Jelsa mit der Steuerbordseite anlegen werden- unsere Maschinen stehen aber auf der Backbordseite. Da die "SPLITTNES" eine ganze Ecke kleiner ist als unsere letzten beiden Schiffe, gibt es keinen Weg um das Brückenhaus herum. Zumindest keinen, auf dem man ein Motorrad bewegen könnte. Auf dem Achterdeck stehen die Festmacherwinden und das Tauwerk, und voraus ist eine Treppe. Eine wirklich steile Treppe. Aus Eisen. Keine Treppe, die man mit einem 300 Kg Tourenmotorrad runterstolpern möchte. Markus macht sich große Sorgen, ob wir die Maschinen an Land bringen können. Ich stehe auf dem Standpunkt: Wenn es unmöglich sein sollte, dann hätten die Jungs uns erst gar nicht mitgenommen. Markus guckt mich verwundert an.

[Das sind die seltenen Momente, in denen unsere Gegensätze deutlich werden. Wir bekommen deswegen nicht mal ansatzweise Streit, aber trotzdem kann er meine Denkweise nicht nachvollziehen- und ich nicht die Seine. Markus braucht ein gewisses Maß an Planungssicherheit, während ich eher mit einer Art "...wird schon schiefgehen!" Mentalität durch's Leben gehe. Ich KANN mir einfach jetzt noch nicht stundenlang den Kopf zerbrechen über ein Problem, daß sich Morgen vielleicht stellt. Dazu ist der Himmel zu blau und das Meer zu grün. Wir haben 20 Grad, eine laue Brise kräuselt das Meer und die Möwen kreischen an einem endlos weiten Himmel... und da soll ich mir heute Sorgen machen über das, was morgen kommt? Ich weiß ganz genau, daß ich mit dieser Einstellung irgendwann einmnal ganz fürchterlich baden gehen werde. Irgendwann wird es tatsächlich einmal schief gehen. Aber bis es soweit ist, bleiben mir viele sorgenvolle Stunden des Grübelns erspart. Markus dagegen ist jemand, der vorsorgt, der plant, der sich vorbereitet. Markus sitzt schon seit drei Tagen auf gepackten Koffern, während ich meine Sachen meist erst am Tag der Abreise zusammensuche. Markus ist auf alle möglichen und unmöglichen Situationen vorbereitet, während ich eher spontan improvisiere. Das könnte leicht zu endlosen Diskussionen führen. Da wir uns aber gegenseitig nicht mit missionarischem Eifer "bekehren" wollen, sondern im Gegenteil  versuchen, uns  die Stärken des jeweils Anderen etwas abzugucken, führt das eher dazu, daß wir uns prima ergänzen.]

Wir gehen verschiedene Möglichkeiten durch. Am besten wird es wohl sein, wenn wir die Maschinen mittels des kleinen Proviantkrans auf den Lukendeckel der letzten Luke (Laderaums) setzen, dann auf die andere Seite schieben, und von dort mit dem zweiten kleinen Kran an Land setzen.  Problem: Beide Kranarme sind eigentlich zu kurz, wir müßten die Motorräder an langen Seilen schräg hinunter ziehen. Außerdem ist auf der Steuerbordseite auch noch ein Rettungsboot im Weg. Aber mit ein paar Mann und mit langen Seilen müßte das funktionieren. Wird schon schiefgehen!

Wir gehen noch eiunmal hoch auf die Brücke. Ein Blick auf den "Tacho": 14.9 Kn. Hurra! Morgen früh  werden wir um 05:00 Uhr in Jelsa sein! Zwischendurch hatte es sich mal bezogen und es fielen auch ein paar Regentropfen- aber nun ist der Himmel wieder klar, und wir fahren der Sonne hinterher. An Steuerbord können wir schon die norwegische Küste ausmachen; um die Südspitze sind wir schon fast herum. Es ist unser zweiter und letzter Abend an Bord. Wir laden unseren Freund Nick auf ein Bier ein, sitzen noch einen Moment gemütlich zusammen und lachen viel. Als Nick wieder hoch auf die Brücke muß, weil seine Wache beginnt, nutzt Markus den restlichen Abend, um mich an der Wii beim Bowlen und Golfen zu demütigen. Heute gehen wir mal früher schlafen, denn morgen müssen wir früh raus. Unsere Motorräder können nur direkt nach dem Anlegen an Land gesetzt werden. Voller Vorfreude schlafen wir ein.

 


Freitag, 03.09.2010: Endlich wieder in Norwegen!

Jelsa - Gudvangen, 286 Km

Um 05:30 Uhr klingelt erst mein Wecker und dann das Kabinentelefon: Nick sagt Bescheid, daß die Reise zuende ist. Zunächst stutze ich- aber er meint nur die SEEreise. Mache niemand solche Scherze mit mir am frühen Morgen vor der ersten Tasse Tee! Markus und ich eilen an Deck, um unsere Fahrzeuge und die Ausrüstung an Land zu setzen.

Zunächst manövrieren wir die beiden Motorräder bis unter den kleinen Proviantkran auf der Backbordseite. Der Kranarm ist aber zu kurz, um den Lukendeckel zuerreichen. Daher befestigen wir mehrere lange Seile an der jeweiligen Maschine. Der der Kran lüpft langsam an. Zusammen mit zwei Matrosen zerren wir wie die Brauereipferde und bugsieren die hängende Ladung auf diese Weise in Richtung Lukendeckel. Wir bugsieren unsere kostbaren Feuerstühle vooorsichtig zwischen Rettungsboot, Reling und Lukenkante, bis der Kran  sie schließlich sanft auf der Plattform, aus der die Laderaumabdeckung besteht, absetzen kann. Von dort schieben wir Molly und Jeanette auf die andere Seite des Schiffes. Hier das gleiche Spiel nochmal: Mit viel Manpower und langen Seilen steuern wir und die Seeleute die fahrbaren Untersätze zwischen allerlei Hindernissen hindurch nach Außenbords. Dort schweben dann jeweils mehrere Monatsgehälter an dünnen Stahlseilen in einer lichten Höhe von rund 12 Metern über der Pier. Diese besteht übrigens aus einer massiven Betonplatte. In diesem Moment weiß ich nicht, ob ich weinen, kotzen, schreien oder einfach ohnmächtig umfallen soll. Ich entscheide mich dazu, leichenblaß anzulaufen und dem Kranfahrer mit bebenden Lippen und weichen Knien  zuzusehen. Der Mann weiß aber, was er  tut-und sicher setzt er die Motorräder nacheinander unten ab.  Der Besitzer der Maschine sinkt vor lauter Erleichterung auf die Knie:

Motorradfahren im Dunklen auf dem Lukendeckel

 

Kniet nieder und preiset den Herrn (in diesem Falle den Herrn Kranfahrer): Es hat geklappt und Molly ist bereits sicher gelandet...

 

...während Jeanette noch schwebt und Markus noch zittert.

 

Aber schließlich ist auch die Yamaha an Land, und Don Plauzo der Prächtige nimmt sie unten in Empfang.

Schließlich stehen zwei komplett ausgerüstete und beladene Motorräder auf dem Pier und warten darauf, eine schöne Rundreise durch das südliche Norwegen, Schweden und Dänemark zu machen. Wir verabschieden uns herzlich von unseren Freunden an Bord, die uns wirklich sehr geholfen haben. Auch vom Smut, der sich die ganze Extra-Arbeit aufgehalst hat. Vom Kapitän, der uns ohne zu zögern an Bord genommen hat. Und natürlich von Nick, dem Scherzkeks und Organisatonstalent. Und nun geht es endlich los! Unter hupoen und winken biegen wir auf die Schotterstrecke ein und dann auf die Straße nach Norden. Ein letzter Blick zurück-und nun kann uns so schnell nichts mehr aufhalten!

Ach, es ist eine Lust zu Leben und es ist eine Freude, unterwegs zu sein. Die Sonne lacht an diesem immer noch frühen Morgen von einem nahezu wolkenlosen, tiefblauen Himmel. Die Motoren schnurren, das Panorama ist mit dem Wort "grandios" nur sehr unzureichend beschrieben und wir fahren vor lauter Übermut und Lebensfreude Schlangenlinien. In Norwegen ist es überraschend viel kälter als zuhause in Deutschland. Dort hatten wir durchgehend 21 bis 23 Grad- hier sind es mit Müh und Not knappe 10 Grad.  Das überrascht uns. "Norwegen" ist zwar für uns Deutsche auch ein Synonym für "eiskaltes Land am Nordpol", aber tatsächlich sind wir  Luftlinie nur etwa 650 Km von zuhause weg. Durch die Schlepperei am Morgen ist uns ordentlich warm geworden, aber je länger wir unterwegs sind, desto kühler wird es. Bei einem Fotostop wechsle ich sogar meine Sommerhandschuhe gegen die gefütterten Winterausgabe. Die hatte ich im letzten Moment "nur für den Fall der Fälle..." noch in die Tasche gesteckt- und jetzt bin ich wirklich froh darüber. Was ich schmerzlich vermisse, ist ein Paar lange Unterhosen. Die habe ich nicht mitgenommen- und meine Lederhose ist nicht gefüttert. Es ist nicht unerträglich, zieht aber doch empfindlich. Mittags passieren die bezaubernde kleine Stadt Odda am Sørfjord. In deren Fußgängerzone suche ich einen Laden für Wäsche auf und kaufe mir das teuerste Stück Baumwoll-Polyestermischgewebe, das ich je besessen habe: Eine lange Unterhose von irgendeinem obsukren Markenhersteller. Dem Preis nach müßte das Ding aus den gekämmten Achselhaaren eines hinterindischen Hochgebirgsschafes bestehen, in einer kühlen Vollmondnacht von Tempeljungfrauen sanft mit den Lippen einzeln aus dem Fell gezupft und Stück für Stück zu Fuß nach Oslo befördert. Naja, hauptsache warm. Morgen ziehe ich das edle Stück drunter, heute geht's noch ohne.

In der gleichen Fußgängerzone nehmen wir in einem netten, kleinen Café noch ein koffeinhaltiges Heißgetränk zu uns und blinzeln faul in die Sonne. Markus taut auch langsam wieder auf. Mein indianischer Name lautet Der-Mit-Dem-Eisbären-Tanzt, und dieser Name ist Programm. Es muß schon viel passieren, bis ich wirklich anfange zu frieren. Ich mache es wie die Pinguine und Eisbären: Eine zentimeterdicke Fettschicht isoliert meinen Körper. Der sportliche Markus ist da ganz anders, dem ist einfach nur erbärmlich kalt. Denn eine Speckschicht hat er nicht. Er beschließt, ab morgen auch wärmere Kleidung zu tragen. Heute muß es irgendwie noch gehen, und sehr weit wollen wir eh nicht mehr fahren.Ein anderes Problem macht ihm derzeit eh mehr Kopfzerbrechen: Es scheint in Norwegen kein Gesetz zu geben, demzufolge man auch eine Toilette anbieten muß, wenn man ein Café eröffnet. In Deutschland ist eben doch alles besser. Markus macvht sich also auf die Suche, und erst eine gute halbe Stunde später taucht er wieder auf kommt er zurück. Seiner Beschreibung nach muß die nächste öffentliche Toilette ungefähr "so weit die Füße tragen" entfernt sein.

Wieder unterwegs passieren wir einen Tunnelo nach dem anderen. Und immer noch sind die Dinger weder beheizt noch beleuchtet. Wir fahren durch Landschaften, die uns schier den Atem rauben. GIgantische Felsen, die senkrecht in stille Forde abfallen, Wasserfälle, die das Wasser hunderte von Metern in die Tiefe stürzen lassen, lichte Wälder, grüne Wiesen- und hinter jeder Kurve lauert eine neue schöne Überraschung. Irgendwann meint man, nun aber wirklich alles gesehen zu haben- da wartet das Land mit einer noch spektakuläreren Aussicht auf. Vor lauter Staunen steht uns der Mund weit offen, uns fast vergessen wir, Gas zu geben. Wir passieren einen Gletscher, der Karte nach müßte es der "Folgefonna" gewesen sein, denn der liegt zwischen Sørfjord und Hardangerfjord- und in genau dem Gebiet sind wir unterwegs. Den halben Tag schon fahren wir am Sørfjord, entlang, und er verwöhnt uns mit immer neuen Ansichten.  Irgendwann heißt das Gewässer dann Eidfjord und mündet in den großen Hardangerfjord. Wir überqueren den  Eidfjord und fahren mit der Fähre von Brimnes nach Bruravik.

Auf der Fähre unterhalten wir uns mit dem norwegischen Fahrer einer BMW R 1200 GS. Das hier ist sein Stammgebiet, und er kennt jeden Feldweg. Er gibt uns den Rat, nicht der Reichsstraße 7 durch den Tunnel zu folgen, sondern einen Umweg über die alte Paßstraße zu nehmen. Natürlich nehmen wir den Rat eines einheimischen Tourenhasen gerne an und werden dafür auch prompt belohnt. Die Straße ist  schmal, aber gut ausgebaut. Wie fast überall in Norwegen kennt man hier keine Schlaglöcher. Sie windet sich in abenteuerlichen Kurven in die Höhe und stürzt sich anschließend wieder in die Tiefe. Das Panorama ist noch umwerfender als auf der Strecke hierher. Wieder drängen sich dieselben Superlative auf, die ich schon so oft bemüht habe: Grandios, umwerfend, atemberaubend... aber letztlich muß ich wohl einsehen, daß ich die Empfindungen nicht beschreiben kann, die dieses einmalige Zusammenspiel von Fels, Wasser, Licht und Schatten in uns auslöst. Das Meerwasser ist von tiefgrüner Farbe. Es ist so klar, daß man sogar von hier oben noch deutlich in die Tiefe sehen kann. Dort folgt das Auge den Felsformationen, wie sie sich unter der Waseroberfläche fortsetzen. Die Unterwasserfelsen kämpfen optisch mit den oberirdischen Felsformationen, die sich auf der Wasseroberfläche spiegeln und die von einem endlos scheinenden, azurblauen Himmel überspannt werden. Die Erde ist ein so fabelhafter Planet!

Nicht ganz so fabelhaft ist, was wir erleben, als wir wieder unten ankommen. Zum allererstenmal während der abertausend Kilometer, die wir schon durch dieses Land gefahren sind, stehen wir im Stau.Aber das macht uns wenig aus. Wir haben es nicht eilig, und so können wir noch ein bißchen über unsere Eindrücke reden. Okay, im Verkehr und mit Helm klingt ein typischer Dialog etwa so: "...COOL, WA?!!" - "JO!!". Aber immerhin REDEN wir. Unsere Frauen sagen ja immer, wir täten das nicht...

Wir huschen weiter die Landstraßen entlang, und kurz vor dem Örtchen Gudvangen sehe ich einen kleinen, gepflegten Campingplatz in der Sonne liegen. Spontan beschließen wir, es für heute gut sein zu lassen und klopfen an das Fenster der Anmeldung. Und nun darf ich, zum ersten mal seit fünf Jahren, wieder meinen Satz sagen, der uns schon einmal viele Tage lang und viele Kilometer weit durch das Land der Elche und Trolle begleitet hat: "Two persons, two motorcycles, tent!". Wir bauen unser Lager auf, und in dem Moment, in dem die Zelte stehen, verschwindet die Sonne hinter den hohen Bergen und es wird deutlich kühler. Hm. Das haben wir bei der Platzwahl nicht bedacht. Wir campen in einem Talkessel, der von zwei Seiten von sehr hohen und steilen Bergketten begrenzt wird: Im Osten und im Westen. Es ist jetzt 17:00 Uhr, und die Sonne ist  im Westen hinter den Bergen verschwunden. Wir haben in dieser Sekunde beide den gleichen Gedanken, und simultan schwenken unsere Köpfe in die entgegengesetzte Richtung: Wann mag morgen früh wohl die Sonne hinter dem Bergkamm auftauchen? Egal, das soll uns morgen früh beschäftigen. Jetzt setzen wir erstmal die Brenner in Gang, brauen uns Kaffee und Tee. Sodann jagen wir Herrn Maggi in die Küche. Jetzt noch kurze Putz- und Flickstunde, und  wie brave Jungs kriechen wir gegen 21:00 Uhr in unsere Schlafsäcke.

 

 


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Zuletzt geändert am: 16.03.2011 um 16:29

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