Fettnapf.

Veröffentlicht von Fraro am 28.01.2009

Wenn man Ostfriese (und somit ausgewiesener Teetrinker) ist, dann muß man damit leben, dass die Mitmenschen bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen, wenn man mit ihnen zu tun hat. Das fängt damit an, dass uralte Witze aus den 70er Jahren wieder aufgegossen werden (dieselben Scherzfragen, die zunächst als Kohl- und dann als Manta-, Blondinen und Ossiwitze recycelt wurden und die jetzt eine Renaissance als Österreicherwitze erleben).

Eine anderer auffälliger Unterschied im Verhaltensmuster äußerst sich in der Auswahl kleinerer oder mittlerer Präsente. Hat der Exilostfriese Geburtstag oder begeht er ein kleineres Jubiläum, dann steht der wohlmeinende Mitmensch vor dem Problem, irgendein problemloses, kleines Präsent organisieren zu müssen. Dabei möchte er sich

a) möglichst wenig mit dem zu Beschenkenden auseinandersetzen,

b) möglichst wenig Mühe mit der Beschaffung haben und

c) keinen der vorhergehenden Punkte vom Jubilar bemerkt wissen.

Die originellste Idee (und somit häufigste Gabe) ist in solchen Fällen ein Teepräsent. Das ist in der Regel etweder ein blauer Karton oder ein in Klarsichtfolie drapiertes Bastkörbchen mit blaukariertem Innenfutter, welches ein Gläschen Kandiszucker in Rum, einige Holzstangen mit braunem Kandis, etwas "typisch ostfriesisches" Gebäck (von dem man allerdings in Ostfriesland selber noch nichts gehört hat), ein weiteres Päckchen feiner Kandiszucker, ein Löffel (warum auch immer), eine Anleitung zur Bereitung von echtem Ostfriesentee (normalerweise ein Rezept, bei welchem meine Oma sich schlapplachen würde), sowie ein Blechdöschen mit einer mehr oder weniger luxuriösen Teemischung. Natürlich alles original Ostfriesland.

Wenn der Schenker ein bisschen mehr Mühe investiert, dann sucht er extra ein Teehandelskontor auf, um dem vermeintlichen Kenner einmal einen wirklich guten Tee zu kaufen. Meist sind das irgendwelche schweineteuren, aber ziemlich schlappen Darjeeling-Mischungen, von der Spitze der Pflanze durch nackte indische Jungfrauen an einem windstillen Sommermorgen kurz nach Vollmond geerntet, während sich gerade der erste Tau auf den Blättern des Teestrauchs niederlässt.

Der Ostfriese, der eigentlich seit 35 Jahren Thiele Gold oder auch Bünting's Grünpack trinkt, bedankt sich artig, freut sich angemessen, nimmt das Päckchen mit nach Hause und lässt es hinten im Vorratsschrank verstauben. Vielleicht wird er es mal zu einer besonderen Gelegenheit öffnen. Das wird dann ein weihevoller Moment, an einem kalten Winterabend, eingemummelt in eine Wolldecke, ein gutes Buch bei der Hand- und dann dieser Tee. So denkt sich jedenfalls der frischbeschenkte Ostfriese, gießt sich erst mal einen schönen Thiele auf und vergisst das Projekt. Bis der Edeltee irgendwann beim Saubermachen/Ausmisten dann wieder auftaucht und bei der erstbesten Gelegenheit weiterverschenkt wird. Es soll Teepakete geben, die bereits seit Generationen immer weiter von einem Haushalt zum anderen wandern- ohne jemals geöffnet zu werden.

Genauso verfahre ich normalerweise auch mit derlei Liebesgaben. Ich habe einen halben Schrank voll mit schmucken, blauweißen Döschen zu 50 und 100 Gramm mit renommierten Supertees, die einem die Haare auf der Brust wachsen lassen und für ewige Potenz sorgen. Ganz hinten im Schrank liegen sogar irgendwelche exotischen Mischungen, die mit Kaktusfeigen, Vanille, Iltishoden oder Orangenschalen aromatisiert sind.

Jetzt traf es sich aber, dass mein Teevorrat im Büro zur Neige ging. Sparsam, wie ich bin, dachte ich mir "Nu mach mal erst mal das ganze Zeugs alle, dass noch hinten im Schrank liegt!" und nahm eine größere, weiße Tüte Tee mit zur Arbeit.

Heute morgen stehe ich am Drucker, hinter mir werkelt mein Kollege und brüht Tee und Kaffee auf. "Oh, Herr Fraro! Haben sie eine neue Sorte? Das ist ja mal was Feines!" – "Ach, das ist nur eins dieser blödsinnigen Teepräsente, die man als Ostfriese immer wieder von phantasielosen Zeitgenossen geschenkt bekommt. Das Zeug lag noch hinten in meinem Schrank, Ich weiß nicht, ob man das trinken kann. Wenn nicht, schmeißen wir's einfach weg und ich kaufe in der Mittagspause einen ordentlichen Tee!"

"Hier hängt sogar noch ein Zettel dran!" – "Was steht denn drauf?" – "Alles gute zum 34. Geburtstag von Ihren Kollegen!"

...

...

Äh.

 

Zuletzt geändert am: 29.01.2009 um 15:49

Zurück zur Übersicht
 Designed by beesign.com