Kulinarisches Abenteuer.

Veröffentlicht von Fraro am 28.01.2009

Ich hatte vor einigen Jahren zum ersten Male die Gelegenheit, mich mit der indischen Küche vertraut zu machen, und zwar an Bord eines Schiffes namens "PIONEER". Die Besatzung der "PIONEER" bestand nämlich vom Kapitän bis zum Moses aus Indern. Auf diesem Schiff wurde ich zum Abendessen eingeladen. Entzückt dachte ich so bei mir: "Warum nicht? Indische Küche ist ja bekannt für hohe Qualität! Denn man los!" Ja, denn man los.

Wir saßen also in der Offiziersmesse (dem Speiseraum für die höheren Chargen), und ließen uns von einem hündisch ergeben wirkenden Steward bedienen. Die Speisen sahen irgendwie alle gleich aus, egal ob es sich um "Vegetables", "Meat", "Chicken" oder sonstwas handelte. Alles hatte eine irgendwie grünlich-bräunliche Farbe, sah also auf den ersten Blick nicht so sehr appetitlich aus, roch aber schön würzig. Es hatte keinerlei Ähnlichkeit mit irgend etwas anderem, was ich schon so zu mir genommen habe.

Aber da ich dem Sprichwort "Was der Bauer nicht kennt frißt er nicht" noch nie etwas abgewinnen konnte, langte ich tüchtig hin. Ich habe schon öfter mal auf diversen Schiffen unterschiedlichster Herkunft gespeist, und ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, immer ALLES zu essen, um den Gastgeber nicht zu beleidigen. Ich habe auf russischen Schiffen schon mit Todesverachtung einen Buchweizenbrei mit roten Beeten, auf japanischen rohen Fisch, auf chinesischen irgendwelche kleineren Lebewesen vertilgt, über deren Herkunft ich mir vorsichtshalber keine Gedanken machte, und über welche ich auch keine Fragen stellte. Wahrscheinlich hätte ich gerade das chinesische Essen mit einem Hausschuh erschlagen, wenn es mir im Originalzustand begegnet wäre.

Aber das war alles NICHTS im Vergleich zu indischen Ernährungsgewohnheiten. Dazu ein kurzer geschichtlicher Exkurs. In den vergangenen Jahrhunderten gab es in unseren Breiten kaum Gewürze wie Pfeffer, Curry und dergleichen. Diese Dinge wurden mit Fuhrwerken oder Schiffen aus Indien geholt und waren SAUteuer und wurden dementsprechend sparsam verwendet. Für die Inder dagegen, bei denen die ganzen Gewürze an der Straßenkante wuchsen, waren diese Gewürze schon immer stinknormal. Sie haben ein völlig anderes Verhältnis dazu. Sie essen z.B. rote Chili als Gemüse. Oder legen totes Geflügel in eine Pfefferlake ein.

Wie gesagt, das Ergebnis sieht so aus, als ob es schon einmal den Verdauungstrakt passiert hat, und ist vor allem eines: Scharf. Ich mußte diesen Begriff für mich völlig neu definieren. Ich hatte mir einige große Happen in den Mund gestopft, als diese mit einer kurzen Verzögerung anfingen, ihre volle Wirkung zu entfalten. Während des Essens hatte ich die ganze Zeit Angst, das sich in dem Eintopf das Besteck auflöst. Hätte mir aber kaum was ausgemacht, denn das hätte ich nicht sehen können. In meinen Augen stand mehr Wasser als im Oderbruch im Sommer 97. Die Tränen liefen mir nur so das Gesicht runter und vermischten sich in dessen unterer Hälfte mit den aufgelösten Nasenschleimhäuten, die ihren ursprünglichen Platz in meinem Körper in ungeahnten Mengen verließen. Ich wischte und wischte mit meiner Serviette bis sie klatschnaß und nur noch eklig war.

Meine angegriffenen Stimmbänder konnten die Frage des Kapitäns, ob es mir denn auch schmecke, nur unter Schmerzen mit einem schwach gehauchten "Hrrrrchchchjaschmecktechttollchch" beantworten.

Dazu trank ich soviel Wasser, daß der hündische Steward dreimal kommen mußte, um den Krug auf dem Tisch nachzufüllen. Ich hatte aber trotzdem keinen Blubberbauch, den die Flüssigkeit verließ meinen Körper unmittelbar wieder durch die Tränenkanäle und Schweißdrüsen.

Wenn der Mutter Zuhause der Pfefferstreuer aus der Hand in die Soße fällt und die Familie daraufhin meckert: "Zu Scharf!!", dann empfehle ich besagter Familie einen kulinarischen Ausflug nach Indien. Was mir aber wirklich den Rest gegeben hat, war der Kapitän, der nach dem ersten Bissen ein Stirnrunzeln zeigte, den Steward zu sich rief und danach einen Eßlöffel (!) Tabasco in seine Mahlzeit schüttete. Übrigens aß der Kapt mit den Fingern, sicherlich ein Grund für seine kurzen und extrem sauberen Fingernägel...

Zuletzt geändert am: 05.02.2009 um 22:48

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