Two persons, two motorcycles - Teil III
Sonntag, 31.07.2005 - Ein fauler Sonntag und ein flottes Boot.
Ein Wetter zum Helden zeugen! Eigentlich wollten wir heute die Gegend um den Geirangerfjord per Motorrad erkunden. Einfach mal ohne Gepäck, so wie vorgestern in Trondheim (vorgestern? Ist das wirklich erst zwei Tage her?). Aber wir sind faul. Nein, wir sind stin-ken-faul. Wir beschließen, heute einfach einen gammel-Tag einzulegen. Ein bißchen Hausarbeit, 'was Nettes kochen, Sachen lüften, ein bißchen technischer Dienst- aber sonst: Einfach FAUL!!
Geirtanger: Campen im äußersten Winkel eines Blockhaus-Rasens.
Ganz so faul verlief der Vormittag dann doch nicht, denn gestern abend haben wir uns (unwissentlich) auf dem Fußballrasen installiert, der zu einer der Blockhütten gehört. Diese kleinen Blockhütten gibt es auf praktisch jedem Campingplatz in allen möglichen Größen und Austattungen. Von der besseren Hundehütte mit Feldbett bis zu voll ausgestatteten Ferienhäusern in Mini-Palastform. Diese Hütte hier ist an Holländer vermietet, und wir haben uns schon gewundert, warum die uns gestern Nacht beim Aufbau so giftig angeguckt haben.
Wir hausen zwar ganz in der äußersten Ecke der Spielwiese (es sind noch einige hundert Quadratmeter zum bolzen und toben für die Holländer übrig), aber trotzdem läßt uns der Campingwirt nicht für die eine Nacht stehen. Der Typ ist uns -so von Angesicht zu Angesicht- sowieso eher unsympathisch. Er guckt ziemlich muffelig und ist eher nicht der freundlichsten einer. Was soll's, wir wollen ihn ja nicht heiraten.
Immerhin spricht er deutsch. Das allerdings wußten wir zunächst nicht. Er kam zu unserem Lager und maulte uns auf Englisch an. Ich habe für Markus simultan übersetzt. Markus spricht selber gut Englisch, aber der norwegische Diktus ist doch etwas gewöhnungsbedürftig. Äh, in der Diskussion mit Markus haben wir unserer Meinung schon eher deftig Luft gemacht. Nein, wir haben den Mann nicht beschimpft (das gehört sich auch nicht, auch wenn man davon ausgehen kann, daß die eigene Sprache nicht verstanden wird!), aber wir sind angesäuert und sagen das auch. Eigentlich wollen wir schon abreisen.
Doch plötzlich spricht der Platzwart Deutsch, ist wesentlich freundlicher und weist uns einen Platz nur 20 m entfernt zu. Wir schlagen ein und ziehen um. nach dem Wiederaufbau fangen Markus und ich sofort wieder an zu stinken- und zwar vir Faulheit. Die Sonne lacht den ganzen Tag von einem wolkenlosen Himmel, es herrschen 25 bis 30 Grad. Mittagsschlaf im Sonnenschein- das Leben kann so herrlich sein!
Müde Krieger beim Mittagsschlaf.
Auf dem Platz uns gegenüber haust ein älteres, freundliches, niederländisches Ehepaar mit seinem Wohnmobil. Wir haben uns ein bißchen unterhalten, die beiden sind wirklich sehr nett. Der Herr sieht ein bißchen aus wie Käpt'n Iglo und ist ein echtes Schlitzohr. Für Markus ist er ein Held, der mit leuchtenden Augen bewundert wird. Markus neigt auch zu Sparsamkeit- im Gegensatz zu mir. Sein Handy lädt Herr Iglo bei Nacht und Nebel heimlich am Stromkasten auf. Damit spart er sich den ziemlich teuren Stromanschluß. Die Krone, die man eigentlich für das heiße Wasser im Spülraum bezahlen muß, umgeht er, indem er einfach warmes Wasser am Handwaschbecken der Toilette zapft und es im Eimer mitnimmt zum Abwaschen.
Ich Doofi bin ja zu harmlos für so eine Idee. Ich bin zwar auch zu geizig für das Warmwasser aus dem Groschengrab (der Campingplatz is eh schon ziemlich teuer), aber neben dem Spülbecken ist eine (kostenlose) Herdplatte. Dort habe ich unser Wasser heißgemacht. Ich frage mich, ob ÜBERHAUPT schon mal jemand eine Krone in den Heißwasserautomaten geworfen hat...
Am späten nachmittag mieten wir ein kleines Motorboot. Die Dinger darf man in Norwegen ohne Führerschein fahren. Man muß nur 16 Jahre alt sein. Wir gucken vorsichtshalber in unseren Ausweisen nach: Sind wir! Frau Iglo ist so freundlich, mit unserer Videokamera ein paar Aufnahmen von uns im Boot von weitem zu machen.
Geirangerfjord: Käpt'n Markus hat alles im Griff.
Ich will nicht schon wieder von der grandiosen Kulisse anfangen. Aber soviel sei gesagt: Vom Wasser aus ist der Fjord noch eindrucksvoller. Wir haben zwei Stunden Zeit, und das reicht, um ein ganzes Stück den Fjord herunterzufahren. Markus macht sich zunächst Sorgen, ob das alles auch sicher ist, aber schließlich genießt auch er die fahrt. Er wirft mir zwischendurch mal mordlüsterne Blicke zu, als ich einen schnellen Kreis fahre- er wußte nicht, daß so ein Boot wie verrückt schaukelt, wenn man seine eigene Bugwelle kreuzt. Als er kurz darauf selber das Ruder übernimmt, hat aber auch er viel Spaß an Kurvenfahren und Schaukeln.
Hin und Weg sind wir von den sieben Schwestern und dem Freier. Das ist kein runtergekommener Puffbesucher, der sich auf sieben unschuldige Mädels stürzt, sindern es handelt sich dabei um Wasserfälle. Die Sieben Schwestern sind sieben Wasserfälle, die dicht nebeneinander bis zu 300 Meter zu Tal geheen. Dabei stürzt das Wasser tatsächlich den größten Teil der Strecke einfach runter und kommt unten noch als Gischt an.
Geirangerfjord: Sieben zickige Schwestern.
Der "Freier" liegt den sieben Mädels gegenüber. Der Sage nach hat der sich an die Schwestern rangemacht- aber einen Korb bekommen. Vor lauter Frust fing er an zu saufen ergab er sich dem Trunke- und sein Wasserfall hat (mit ein bißchen Fantasie) tatsächlich die Form einer Flasche.
Geirangerfjord: Der Freier-Wasserfall.
Zurück im Lager denken wir laut darüber nach, noch einen weiteren Tag hierzubleiben. Wir könnten dann morgen die Tour machen, zu der wir heute zu faul waren- und wir können problemlos einen Tag später in Bergen ankommen. Termine haben wir ja keine.
Mit unserem "neuen" Platz haben wir uns prima arrangiert. Wir wohnen jetzt etwa 20 m vom Fjord entfernt. Wir sitzen auch nicht so auf dem Präsentierteller wie an der Stelle, die wir uns selbst ausgesucht hatten. Nervig nur: Die holländischen Kinder rächen sich dafür, daß wir ihre Wiese vorrübergehend annektiert hatten. Jetzt spielen sie wild Fußball. Das wäre uns noch egal, wenn nicht dauernd der Ball in eines der Zelte oder in aufgehängte Handtücher donnern würde. Wir beschließen, daß wir eins der Blagen exemplarisch töten werden, sollte der Ball eines unserer Motorräder treffen. Bis dahin gucken wir die Gören, wenn sie mal wieder die Pille holen, dermaßen finster an, daß sie inzwischen nur noch ihren Vater schicken. Hähä.
Später am Abend bezieht es sich etwas, und es wird kühler. Wir sitzen draußen am Tisch und kniffeln. Dreimal haben wir jetzt hintereinander einen kompletten Zettel gespielt- und dreimal habe ich -mal haushoch, mal ganz knapp- verloren. Wenn ich nicht wüßte, das Markus im sonstigen Leben Polizist ist, würde ich vielleicht auf die Idee kommen, daß er ein ausgekochter Falschspieler sein könnte...
Montag, 01.08.2005 - Touren & Faulenzen.
Heute wollten wir eigentlich (mal wieder) gemütlich ausschlafen und dann im Laufe des tages ein lockeres Ründchen durch die umliegende Gegend drehen. Das mit dem Ausschlafen hat sich allerdings um 07:30 Uhr erledigt. Unter lautem Tuten, Kettengerassel und lautem Motorengeräusch fädelt sich die "COSTA ALLEGRA" in den Fjord ein und ankert vor Geiranger. Das ist ein imponierend großes Kreuzfahrtschiff, das wir auch sicher gebührend bewundert hätten- war gestern Abend aber spät...
Ich will mich gerade wieder hinlegen, da wiederholt sich das Spiel und die "MAXIM GORKIY" parkt vor dem Örtchen ein. Nun folgen in schnellem Abstand die "RHAPSODY", die "ALBATROS" und die "KONG HARALD". Letzeres ist ein Postschiff der berühmten Hurtig Ruten. Nun liegen also fünf "Traumschiffe" im Fjord, und eines erinnert mich auch gleich an meine Arbeit- denn für die "ALBATROS" war ich in Bremerhaven schon als Agent tätig.
Im Vordergrund liegt die "COSTA ALLEGRA" quer im Fjord, im Hintergrund qualmt die "MAXIM GORKIY" vor sich hin. Im Hintergrund liegt Nebel vor dem Dalsnibba..
Lustig: Die "ALBATROS" ist das einzige deutsche Schiff in der weißen Flotte, die den Fjord verstopft. Alle Schiffe kamen angefahren, haben Anker geworfen, die Klappen geöffnet, Boote ausgesetzt und ihre Leute an Land gefahren. Nur das Deutsche nicht: Schon von weitem klingen Lautsprecherdurchsagen über das Wasser: "Der Geirangerfjord trägt den Namen der Stadt Geiranger, die wir jetzt erreichen. Die Stadt liegt am Ende des Fjordes in der Provinz Møre og Romsdal und hat ca. 300 Einwohner; in den Sommermonaten steigt diese Zahl auf bis zu 2000 Einwohner an.... blablabla... erstmals urkundlich erwähnt...schwurbelschwurbel... Aufenthalt etwa vier Stunden...rhabarber-rhabarber...". Markus und ich haben sehr gelacht.
Beim Auslaufen das gleiche Spiel: Alle Schiffe verzupfen sich einfach, die Deutschen werden noch auf einen Vortrag über die Flora und Fauna der norwegischen Schären hingewiesen, bevor genaueste Informationen über die kommende Route und die exakte Ankunftszeit durchgegeben werden.
Deutsche tun sich anscheinend schwer damit, etwas einfach mal nur "schön" zu finden. Es muß erst lange erklärt, ergründet, beleuchtet und gründlich eruiert werden. Die anderen (Italiener, Norweger, Japaner) spingen einfach an Land und staunen, wie hübsch es hier ist. Banausen. Was sie alle miteinander nicht wissen können: Die Preise für Souveniers und Lebensmittel sind seit gestern Abend um ca. 50% gestiegen, bei Trollen, Elchen und Pullovern sogar um über 100%...
Markus hat einen beneidenswert festen Schlaf. Ich eigentlich auch, aber heute toppt er mich ganz locker. Während ich von den fünf weißen Riesen aus dem Zelt getrieben wurde, rührt sich in Markus' Zelt erst gegen Mittag etwas Lebendiges. Der Reißverschluß des Zeltes geht auf, Markus streckt eine Nase heraus und verlangt nach Kaffee.
Geirangerfjord: Unser Lager
Während Markus langsam von den Toten aufersteht, fahre ich ins nahe Städtchen zum Einkaufen. unsere Brotvorräte sind praktisch aufgebraucht. Leider ist der einzige Geldautomat, den es im Umkreis von einer Stunde Fahrzeit gibt, komplett leergesaugt. Somit muß ich nochmal zurück und Markus anpumpen. Schließlich haben wir schön gefrühstückt und sodann ein gepflegtes Nickerchen eingelegt.
Es ist übrigens nicht so, daß mein Gefährte schön bis in die Puppen pennt und ich mache Frühstück, gehe einkaufen, mache Abendbrot und lasse mir von der Hausarbeit langsam Brüste wachsen. Nein, wir haben das schon ziemlich gerecht aufgeteilt. Mal muß einer los, dann der andere.
Irgendwann sind wir nun aber endgültig wach und unternehmungslustig. Wir fahren über den Dalsnibba, einen knapp 1.500 m hohen Berg, der an der Verlängerung des Fjordes steht. Eigentlich sollte es ein Rundkurs werden, aber irgendwie läuft es bei mir heute nicht so wie sonst. Ich komme beim Fahren nicht so richtig in Fluß, bin verkrampft, angestrengt und mache viele Fehler. Heute hat Markus mal die Kamera am Motorrad und fährt hinter mir her- das was ich da so zusammenfahre, ist grausam!
Das sind Alarmzeichen, und wenn man nicht unbedingt weiter muß, dann sollte man so eine Tour abbrechen. Genau das machen wir dann auch. Wir fahren denselben Weg, den wir hochgekommen sind, auch wieder runter. Geplant war eigentlich eine Kreistour. Die Fahrt selber ist trotzdem sehr schön. Die Landschaft ist (mal wieder) umwerfend, der Blick auf den Fjord mit seinen fünf Schiffen ist unglaublich. Die Strecke besteht aus lauter Serpentinen, blöderweise aber garniert mit vielen Reisebussen, Lastwagen und vor allem mit Millionen von Wohnmobilen. Manchmal kam man an den Dingern (die sich mit letzter Kraft im ersten Gang die steile Straße hochschleppen) kaum vorbei.
Blick vom Dalsnibbapaß runter nach Geiranger (Quelle: Wikipedia)
Oben auf dem Dalsnibba liegt noch sehr viel Schnee. Sogar in einem kleineren See findet sich noch ein stattlicher Schneeberg, der scheinbar gar nicht abtauen will. Dem Wasser kann man seine Temperatur förmlich ansehen.
Gegenstand zunehmender Sorge ist Mollys Bereifung. Vom Profil des Hinterrads ist fast nichts übrig, das Vorderrad hat Sägezähne wie eine Tischkreissäge. Vollbeladen ist das ganze noch einigermaßen fahrbar, aber "leer" flattert das Vorderrad ganz schön. Was soll's- bis nach Hause muß es noch halten.
Zurück auf dem Campingplatz erwartet uns eine angenehme Überraschung: Auf dem Platz neben uns sind zwei süße, offensichtlich alleinreisende Holländerinnen eingezogen! Sie reisen auch mit Zelt und Schlafsack, fahren aber statt mit dem Motorrad in einem Renault Twingo. Die eine ist eine dunkelblonde, vollbusige und leicht dralle Endzwanzigerin, die genau in mein Beuteschema paßt- die andere ist kleiner, dunkelhaarig und eher nicht so mein Typ. Mit der Blonden flirte ich ein bißchen, aber irgendwann springen die beiden Damen in ihren Renault und fahren Richtung Ortsmitte davon.
Okay, dann spreche ich jetzt erstmal mit Herrn Maggi durch, was es denn heute Abend zu Essen geben wird. Ah, Chop Suey aus der Tüte ist heute dran. Mit Rücksicht auf unsere neuen Nachbarinnen halte ich mich aber mit dem Einsatz von Knoblauch und Zwiebeln etwas zurück. Man weiß ja nicht, wann die beiden wieder nach Hause kommen werden.
Anschließend wird wieder gekniffelt. Ich bin gerade auf der süßen Straße des Sieges und kurz davor, das erste Spiel seit Tagen zu gewinnen, da brechen wir das Ganze ab. Nicht weil Markus ein schlechter Verlierer wäre (ist er nicht!), sondern weil die beiden jungen Frauen süßer sind als besagte Straße des Sieges- und die kommen uns nun besuchen.
Markus und ich sind ja nun beide ganz alte Schule, wir haben daher unsere komfortablen Sessel an die Mädels abgegeben (die hatten im Twingo keinen Platz mehr für Sitzmöbel) und sitzen auf unseren Motorradkoffern. Wir spielen alle zusammen UNO. Natürlich verliere ich laufend, aber das macht nichts. Die beiden hübschen Meisjes sind sehr charmant und lustig, und wir alle gemeinsam haben den ganzen Abend viel zu lachen!
Ich weiß natürlich, daß nach den ganzen Andeutungen und vagen Hinweisen jetzt viele Leser auf Fotos warten, und natürlich soll niemand nach der Lektüre dieser wundervollen Website enttäuscht zu Bett gehen müssen.
Bittesehr:
"UNO" - Kartenspiel. Haben wir mit den Holländerinnen gespielt.
Renault Twingo. Campingmobil für die beiden Damen.
Dienstag, 02.08.2005 - siebter Tourtag: Von Geiranger nach Bergen
Ich bin heute wieder ziemlich früh wach, um kurz nach Sieben ist die Nacht zuende. Obwohl es gestern Abend reichlich spät wurde. Komisch, zuhause komme ich kaum aus den federn- und hier bin ich jeden Morgen früh wach und fiebere dem Tag entgegen. Ich gehe schnell Duschen und werfe dann Markus aus den Federn. Wir frühstücken in aller Ruhe und packen dann ziemlich flott unsere Siebensachen zusammen. Ruck-zuck ist alles wieder auf und an den Maschinen befestigt. Molly scheint froh zu sein, daß es nun wieder losgeht- ich habe den Startkniopf noch gar nicht ganz gedrückt, da läuft der Motor schon. Um 10:45 Uhr lichten wir die Anker und brausen los.
Ursprünglich wollten wir wieder über den Dalsnibba, den berg, den wir gestern schon kennengelernt haben. Von seinem Gipfel aus wollten wir nach Styre fahren und weiter nach Dragstick. Dort wollten die Fähre nehmen und uns querfeldein nach Bergen durchschlagen. Im letzten Moment entscheiden wir uns um. Entgegen unseres ursprünglichen Plans nehmen wir nun die Fähre Geiranger-Hellesylt. Unsere Freundin aus Bodø hatte uns die Fahrt empfohlen, und allein dafür hat sie sich eine Fußmassage verdient, falls wir sie nocheinmal treffen sollten. Mit einiger Mühe kann ich Markus davon überzeugen, daß es weder einen zeitlichen noch einen allzugroßen finanziellen Verlust bedeutet, wenn wir den Fjord per Fähre erkunden. Er ist nach wenigen Minuten des Zuredens auch begeistert von diesem Vorhaben.
Eines der Fährboote auf dem Fjord.
Was für eine Fahrt! Noch einmal passieren wir die Sieben Schwestern und ihren versoffenen Verehrer, folgen dann dem sehr engen Fjord in seiner ganzen Länge (etwa 15 Km) und biegen dann an der T-Kreuzung mit dem Sunnylvsfjord links ab nach Hellesylt. Ein drolliges kleines Städtchen, eingebettet in ein atemberaubendes Panorama. Ja, ich weiß, den Ausdruck habe ich schon öfter verwendet, aber wir sind wirklich immer wieder sprichwörtlich platt, eine Aussicht ist toller als die andere. Wer es noch nicht getan hat: Die Fahrt mit der Fjordfähre ist ein einmaliges Erlebnis. Zumal bei dem prachtvollen Wetter. Ein Deck tiefer bietet sich auch eine schöne Aussicht: Unsere ehemaligen Nachbarinnen stehen unten an der Reling.
Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen können: Die beiden Twingofahrerinnen haben sich exakt diesselbe Route rausgesucht wie wir. Okay, soviele Alternativen gibt es nicht, aber lustig ist das trotzdem. Mit unseren Motorrädern sind wir natürlich ratzfatz weg, als die Fähre anlegt. Obwohl die Maschinen beladen sind wie Lastkähne- trotzdem kommt kein Auto hinterher. Jedenfalls keins, daß sich Normalsterbliche leisten können. Schlängel-schlängel! Und weg sind wir. Markus und ich fahren aber einen ruhigen Stiefel, und weil wir soviel von der Gegend aufsaugen wollen wie nur möglich, machen wir ziemlich viele Pausen. Dabei holen uns die Mädchen wieder ein- bis wir sie wieder überholen. So geht das den ganzen Tag lang, bestimmt fünf oder sechsmal begegnen wir uns wieder.
Bei jedem Halt fotografieren wir, rauchen- vor allem aber besprechen wir unsere Eindrücke. Eisbedeckte Bergipfel fallen steil in ein warmes, grün schimmerndes Meer ab. Gleich auf der anderen Seite schwingt sich der Höhenzug wieder rauf in über 1.000 Meter. Wir können uns kaum sattsehen. Die Hänge sind zwar genauso steil wie auf den Lofoten oder im Nordland, aber die Bergrücken sind jetzt tiefgrün bewaldet, erst weiter oben kahl und ganz oben weiß.
Später, bei einer -zufällig!- gemeinsamen Pause, erklären sich die netten Frauen bereit, unsere Videokamera mitzunehmen und ein Stück voraus zu fahren. Sie filmen uns dann entgegen, die Aufnahmen werden super.
Die Straßen sind in einem TOP Zustand, der Asphalt ist warm und griffig, und meine Molly schwingt sich um die Kurven und die Berge rauf und runter, daß es eine Freude ist. der Motor brummt tief und gleichmäßig. Ich habe das Visier offen, und die laue Sommerluft schmeichelt mir im Gesicht. Durch das langsame Tempo (meist knapp über 80 Km/h) schlagen kaum Insekten auf der Haut ein. Ich habe die Jacke leicht geöffnet und lasse mir vom Sommer den Bauch massieren. Ich fühle mich so wohl, das ich laut quietschen möchte!
Markus scheint es ganz ähnlich zu gehen. Zwischendurch auf Gefällstrecken breitet er die Arme aus wie ein junger Adler bei seinen Flugübungen. Ich sehe, er genießt die Fahrt genauso wie ich!
Nach einer langen, anstrengenden Paßstrecke ist es dann auch mir passiert: Molly und ich rollen auf einen Parkplatz. Ich registriere nicht so richtig, daß dieser Platz ziemlich schräg ist. Folge: Beim linken Bein geht mir der Boden aus und mein armes Motorrad fällt auf die Seite. Ich habe keine Chance, den schweren Dampfer zu halten und kann ihn nur möglichst sanft ablegen.
Zum Glück verhindern Sturzbügel und Kunstoffkoffer schlimmeres, nur der Kupplungshebel ist arg verbogen. Ich kann von nun an nur noch mit den Fingerspitzen kuppeln, traue mich aber auch nicht, den Hebel wieder geradezubiegen- wenn der bei so einer Aktion abbricht, dann war's das mit Weiterfahren. Markus würgt an seiner eigenen Fuhre herum und kann mir nicht helfen (der Parkplatz ist wirklich sehr steil), aber ein freundlicher Schweizer hilft mir, meine Molly wieder auf die Füße zu stellen. Da rollt auch schon der wohlbekannte braune Twingo mit dem gelben Numernschild heran. Die Insassinnen erkundigen sich besorgt, ob jemandem etwas passiert ist.
Hier endlich ein Foto von Gertie und Marijke.
Nun heißt es Abschied nehmen. Markus und ich wollen runter nach Dragsvik zur Fähre über den Sognefjord nach Vangsnes. Die Mädchen wollen auch über den Fjord, aber auf der anderen Seite suchen sie sich einen Campingplatz. Ich bin schwer in Versuchung, auch auf den Platz zu fahren, aber Markus will heute noch weiter. Kunststück- Markus hat zuhause auch eine Freundin, die auf ihn wartet. Ich kann an dieser Stelle schriftlich bestätigen, daß er mehr als brav war.
Als wir in Dragsvik eintreffen, haben wir 245 Km auf dem Tacho und ich bin eigentlich ziemlich kaputt. Laut Karte sind es aber noch 210 Km bis nach Bergen. Falls mein werter Kamerad da heute wirklich noch hinwill, werde ich ihn ein wenig scheuchen müssen. Wenn wir die Fähre hinter uns haben, werde ich mal gucken, ob die gute alte Molly noch dazu in der Lage ist, eine freche junge Fazer ins Schwitzen zu bringen...
Es kommt dann (wie so oft) alles ganz anders. Markus und ich parken unsere Fahrzeuge auf der Fähre, und wie fast immer werden wir ganz bis nach vorne durchgewunken. Das Wetter ist etwas umgeschlagen, der Himmel ist bedeckt und es ist ziemlich windig. Die Fähre arbeitet ganz schön, um über den Fjord zu kommen. Was wir beim Abstellen der Mopeds nicht bemerkt haben, ist das ölverschmierte Deck vorn am Schiff. Dort hat wohl jemand mit Schmieröl rumgekleckert, das metallene Deck ist jedenfalls schön gleichmäßig eingeschmiert.
Sognefjord: Der Fähranleger in Vangsnes. Eine ölige Fähre legt an.
(Foto: Thomas Schramm, mit freundlicher Genehmigung. www.haschraxx.de)
Molly und Jeanette stehen auf ihren Seitenständern. Ich habe zwischendurch noch die Zeit genutzt und einige kleinere Löcher und Risse in meiner großen Gepäckrolle mit Gaffertape (Panzerband) geflickt. Die Fähre legt an, wir setzen unsere Helme wieder auf und klappen die Ständer ein. Da verliere ich mit dem rechten Fuß den Halt auf dem glatten Deck und kippe nach rechts um. Ich stehe dicht an der Bordwand und stütze mich mit Schulter ab, aber ich komme nicht wieder in die Senkrechte. Und Markus rührt sich nicht. Er parkt hinter mir, ich kann ihn nicht sehen. Ich rufe ihn, er antwortet auch irgendwas, aber ich kann ihn nicht verstehen. Langsam lassen meine Kräfte nach, ich habe auch auf dem Boden immer noch keinen Halt gefunden. Nach -scheinbar- einer Ewigkeit kommt Markus mir dann doch noch zu Hilfe.
Ich bin zunächst stocksauer. Ich maule ihn an, warum er nicht mal eben kommen und helfen kann, wenn er sieht, daß ich Schwierigkeiten habe. Da stellt sich heraus, daß Markus in genau demselben Schlamassel steckte wie ich. Auch er war auf dem glatten Deck weggerutscht und mit dem Motorrad gegen die Bordwand gekippt. Aber er ist wesentlich sportlicher als ich und sein Motorrad ist fast 80 Kg leichter (Leergewicht!), er konnte sich selber befreien und ist mir dann sofort beigesprungen. Wieder an Land halten wir am nächstbesten Platz und rauchen eine Beruhigungszigarette, der Schreck steckt uns doch noch ziemlich in den Gliedern.
Wir lassen es dann doch erstmal ruhiger angehen. Aber wenn wir heute noch nach Bergen wollen, dann müssen wir die Schlagzahl etwas erhöhen. Wie befahren einen sehr einsamen Paß, außer uns ist nur noch ein Finne mit seiner Suzuki SV 650 unterwegs. Mit Sozia hinten drauf. Der hat uns vor der Fähre noch erzählt, was für ein sportlicher Fahrer er ist, und daß seine Beifahrerin das toll findet, wenn er richtig Gas gibt.
Molly ist ein sehr rüstiges Mädchen. Trotz ihres Alters und ihrer Laufleistung ist sie noch wirklich gut beieinander, und das erfahren jetzt sowohl der Finne als auch (unbeabsichtigterweise) Markus. Das Geläuf ist kurvig und nicht zu steil. Wir folgen der Küstenstraße, die keinen Meter geradeaus führt, um uns dann auf den nächsten Paß zu werfen. Zum ersten Mal, seit wir in Norwegen unterwegs sind, gebe ich meinem Motorrad etwas die Sporen. Molly heult freudig auf und stürmt voran wie ein Bison, der mit den Klöten an einen elektrischen Weidezaun gekommen ist. Ab und zu muß ich mal auf Markus warten, aber weit hinten ist er nie. Der supersportliche SV-Held aus Finnland ist dagegen nicht mehr zu sehen.
Wohlgemerkt, wir sind auf diesem Abschnitt etwas zügiger unterwegs- aber wir rasen nicht wie die Irren. Wir gucken immer noch Landschaft und genießen die Fahrt. Angstschweiß oder Streß kommen bei diesem Tempo noch nicht auf. Aber wir stellen beide fest, daß wir es, je länger wir so zügig fahren, immer mehr krachen lassen, wir schaukeln uns langsam auf. Wir wollen aber noch etwas von der Landschaft sehen und vor allem wollen wir heil und gesund in Bergen ankommen. Wir machen daher wieder eine Pause, "zum runterkommen". Den Rest der Strecke bis Bergen bewegen wir uns dann wieder in unserem gemäßigten Bummeltempo. Einen Paß müssen wir noch bezwingen, den Namen habe ich allerdings vergessen. Es waren heute einfach zuviele Fjorde, Pässe und Täler. Je höher wir kommen, desto kälter wird es. Auf dem Scheitelpunkt wird uns noch einmal ordentlich kalt. Auch hier liegt noch richtig viel Schnee herum.
Gegen 22:00 Uhr kommen wir in Bergen auf dem ersten Campingplatz an. Es ist schon halb dunkel. Wir rollen aus, und als ich gerade einen Fuß auf dem Boden habe, springt mich so ein halbgarer Alkoholiker an, patscht mir auf die Schulter und grölt "Ey, hallo Nachbar! Ich komm aus Bremen!". Da wäre er auch besser geblieben. Trotzdem gehen Markus und ich nach vorne zur Rezeption. Dort lauern schon des Halbgaren Kumpels, in einem ähnlichen Zustand wie unser neuer Bekannter. Sie versorgen uns sofort ungefragt (und wild durcheinander) mit "wertvollen" Tips zum Platz und zur Umgebung. Markus und ich sehen uns an, verdrehen die Augen- und steigen wieder auf. Laut Karte soll in vier Kilometern Entfernung der nächste Campingplatz sein, und auf "Ballermann in Bergen" haben wir beide keine Lust.
Der nächste Campingplatz sagte uns aber gar nicht zu. Klein, matschig, doof. Also fahren wir noch einmal 30 Km weiter, in den Norden von Bergen. Der dortige Platz machte auch zunächst einen guten Eindruck, und teuer war er auch nicht. Aber hier ist man mehr auf Wohnwagen und -mobile eingestellt als auf zeltende Motorradfahrer. Die Stellplätze sind geschottert, an jedem Platz Strom- und Wasseranschluß. Hätten wir ein Reisemobil, wäre der Platz wohl erste Wahl- aber für Zelte ist er denkbar ungeeignet. Dort, wo man ein Zelt hätte aufbauen können, ist er dunkel und matschig. Es macht den Eindruck, als hätte sich der Inhaber der Anlage überlegt: "Hmmm... wenn ich meine Schutthalde hinter den Bäumen mal mähe und von gröbsten Unrat befreie... Hey! Dann kann ich da jede Menge Zelte unterbringen...". Aber nicht mit uns!
Wir fahren also wieder zum ersten Platz mit den weisen Opas und dem bekloppten Bremer. Alle haben sich glücklicherweise wieder getrollt und wir sehen sie nicht wieder. Dafür schockt uns der Platzwart: Er will 175.- Nökse (NoK = Norwegische Krone) pro Übernachtung haben. Ich beginne zu feilschen, und erkläre dem Mann, daß wir nur zwei kleine, motorradkompatible Zelte haben, die auf einen einzigen Stellplatz passen, und daß der Platz 4 Km weiter nur 130.- Nökse verlangt. Auf den Preis hat er sich dann auch eingelassen. Wir sind todmüde, es beginnt zu nieseln und wir wollen endlich in die Koje. es war eine sehr lange Etappe, die wir heute gefahren sind.
Dennoch lachen wir uns ein bißchen selbst aus: Am Anfang der Tour haben wir noch auf irgendwelchen Müllkippen wild gezeltet, und nun fahren wir schon drei verschiedene Campingplätze an, weil uns keiner zusagt. Man wird eben doch anspruchsvoller. Wir bauen unsere Zelte im Stockdunklen auf (inzwischen würden wir das auch bei Windstärke 10 mit verbundenen Augen schaffen), kochen uns noch ein Süppchen und eine Tasse Tee, dann hauen wir uns aufs Ohr.
Unsere Batterien sind definitiv leer!
...weiter geht's im ==>VIERTEN TEIL <==
Zuletzt geändert am: 15.12.2009 um 08:58
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