Two persons, two motorcycles - Teil IV
Mittwoch, 03.08.2005 - Bergen
Wie üblich werde ich ziemlich früh morgens wach. Der Regen trommelt lautstark auf mein Zeltdach. Sofort mache ich wieder die Augen zu und schlafe weiter. Das Spielchen geht noch ein bißchen so weiter, ich werde in Abständen wach, lausche einem Moment dem heftigen Regen, und dämmere wieder weg. Die Tour gestern fordert nun doch ihren Tribut: Die Etappe war definitiv zu lang für eine Tour über Land in Norwegen. Laut Kilometerzähler waren es über 550 Km.
Gegen Mittag, ich habe gerade eine Wachphase, regt sich auch was im Nachbarzelt. Markus und ich beschließen, uns nun endlich aus unseren Schlafsäcken zu schälen, damit wir noch nach Bergen reinfahren können- Regen hin oder her. Aber ruhig: Erstmal Kaffee kochen, Tee aufbrühen und gegen 13:00 Uhr können wir dann endlich frühstücken spätstück... brunchen etwas essen. Markus hat die gute Idee, die "Platte" unseres Alutischchens, die in Wahrheit nur eine Art breites Gitter ist, platt auf dem Boden auszubreiten. Dadurch haben wir eine einigermaßen ebene und fest Unterlage für den Gaskocher und das Brot liegt auch nicht mehr im Dreck.
Nach dem ...äh... Essen gehen wir noch schnell duschen, danach sind wir wieder zu allen Schandtaten bereit. Wir fahren nach Bergen rein. Zunächst haben wir einen Bürobesuch gemacht, eine der von mir betreuten Reedereien hat ihren Hauptsitz in der alten Hansestadt. Wir trinken bei den sehr netten Norwegern ein Täßchen Kaffee, knabbern einen Keks, und schon haben wir den Rest des Nachmittages frei.
Der Regen hat inzwischen aufgehört, ab und zu guckt sogar die Sonne durch die Wolken. Wir gehen zu Fuß zur Bryggen. Die Versuchung ist für uns Deutsche ziemlich groß, das einfach mit "Brücke" zu übersetzen. Aber es handelt sich keineswegs um eine Brücke, sondern eine Kaje, die seinerzeit den Kaufleuten der Hanse als Schiffsliegeplatz und Umschlagseinrichtung und Warenbörse diente. Eigentlich hieß das ganze Ensemble auch "Tyskebrygge", also "Deutscher Kai". Seit Weltkrieg Zwo haben uns die Norweger aber nicht mehr so richtig lieb, und darum hat man das Deutsche aus dem Namen getilgt.
Bergen: Holzhäuser an der Brygge (Bild: Wikipedia)
Die Brygge ist ein altes Hafenviertel, daß auch heute noch mit lauter Holzhäusern bebaut ist, die alle verschieden bunt angestrichen sind. Das sieht sehr romantisch und auf eine unaufdringliche Art heimelig aus. Es findet ein Wochenmarkt statt (unheimlich schräge Fische kann man sich da bei den entsprechenden Händlern angucken!), und man kann prima lustwandeln. Wir haben Glück, denn heute findet bis über das kommende Wochenende ein Dampfschiff- und Dampfmaschinenfestival statt. Auf der Kopfsteinpflasterstraße rumpeln alte Dampfmobile, im Wasser schwimmen ebenso alte Schiffe. Das sieht staunenswert aus, hat aber den kleinen Nachteil, daß die ganze Gegend stark bevölkert ist. Wir halten uns ein wenig abseits. Wir haben jetzt anderthalb Wochen Wildnis hinter uns, wir sind noch nicht wieder bereit für einen Massenauftrieb.
Bergen: Alte Maschinen bedampfen eine alte Stadt
Bei einer Touri-Info tauschen wir unsere letzten armseligen Euros in Nökse um. Nun schlendern wir zurück zum Wochenmarkt und kaufen uns knapp zweieinhalb Pfund Monsterkirschen. Dieses Obst muß direkt aus der Region um Tschernobyl importiert worden sein - ich habe noch nie so große Kirschen gesehen. Mit unserer Beute ziehen wir uns in eine unbelebte Seitenstraße zurück und veranstalten einen Wettbewerb im Kirschkernweit- und Zielspucken. Als Ziel dienst dabei zunächst eine löcherige Natursteinmauer in etwa drei Meter Entfernung, bei der wir auf eine etwa faustgroße Vertiefung zielen. Einen Punkt bekommt der jeweilkige Schütze nur, wenn der Kirschkern im Loch liegen bleibt. Die prasselnden Kirschkerne locken recht bald eine ziemlich dicke und extrem einfältig wirkende Taube an, die auch beim 25. Probieren noch nicht begreift, daß es sich bei den umherfliegenden Krümeln nur um Kischkerne handelt, die sie nicht fressen kann.
Bergen: Hochkarätiger Wettkampfsport in einer Seitengasse
Markus erwischt den Vogel versehentlich auf dem Rücken, worauf die Taube kurz auffliegt, eine kleine Runde dreht, zurückkehrt- und sich wieder der Kernfoschung widmet. Das ist das Signal für einen Zielwechsel: Ich versuche nun auch, einen Kern auf dem Taubenrücken zu platzieren. Es klappt! Wieder fliegt das Tier kurz auf und landet wieder bei seinen geliebten Kernen. Jetzt sind Markus und ich angefixt und "schießen" nur noch auf die tumbe Taube. Als die Kirschen alle (und wir völlig überfressen) sind, führe ich 1:0 auf Mauer und 2:1 auf Taube. Eine klägliche Wiedergutmachung für all die Schmach, die ich beim Uno und beim Kniffel erdulden mußte. Nachdem er nun nicht mehr bespuckt wird, wird es dem Vogel zu langweilig und er fliegt weg.
[Nun mag manch ein kulturbeflissener Leser entsetzt aufstöhnen und mit zitternder Stimme einwerfen: "Was ist mit der Marienkirche? Der Domkirche St. Olav? Festung Bergenhus? Fantoft Stabkirche? Gammle Bergen?" (an dieser Stelle hebt sich die Stimme und wird lauter) "...Griegvilla? Bergen Museum? Habt ihr den GAR NICHTS von diesen weltberühmten Dingen besichtigt? Seid ihr nur nach Bergen gefahren, um mutierte Kischkerne auf dämliche Tauben zu rotzen?!" und der kulturbeflissene Leser schüttelt angewidert sein Haupt, in den Augen eine Mischung aus Mitleid und Abscheu zeigend.
Diesen kulturbeflissenen Lesern werfe ich ein fröhliches "Nö!" entgegen, "Wir haben NICHTS von alledem gesehen!" Interessierte uns auch nicht. Wenn wir nochmal hinfahren, dann gucken wir zumindest einen Teil von alledem an, ist versprochen. Aber wir waren prallvoll mit Eindrucken von Norwegens weitgehend unberührter Natur, von dieser umwerfenden Landschaft- da mochten wir uns einfach nicht in irgendwelche engen, dunklen und muffigen Kirchen sperren lassen. Abgesehen davon habe ich von all dem Zeug erst bei Wikipedia gelesen, als wir schon wieder zuhause waren. Ich hatte es eingangs ja schon erwähnt: Wir sind einfach so und ziemlich unvorbereitet losgefahren, ohne festes Besichtigungsprogramm. Wir wollten uns überraschen lassen, und vor allem wollten wir frei sein!]
Nach dieser gepflegten Mahlzeit widmen wir uns jetzt dem leidigen Thema "Mitbringsel". Wir sichten die Bestände der Souvenierhändler, die sich in den alten Holzhäusern an der Brygge niedergelassen haben und erwerben allerlei Krimskrams für die Lieben daheim. Für einen Freund aus Schwarzenbek kaufee ich einen z. B. kleinen Troll. Er ist erfahrener Norwegen-Tourist und hat mir vor Reiseantritt viele gute Tips gegeben, so daß ich das Gefühl habe, ihn mit einer Kleinigkeit bedenken zu müssen. Später, zuhause wird er das kleine Püppchen auspacken und mit den Worten kommentieren "...ich hab' mich immer gefragt, wer so bescheuert ist, diese Dinger zu kaufen!".
Bergen: Der Autor bei der Beschaffung weiterer Finanzmittel zur Fortsetzung der Reise.
Für uns selbst beschaffen wir jeweils eine kleine Norwegenflagge, etwa so groß wie ein DIN A4 Blatt, an einem 1,20 m langen Holzstiel. Wir haben allerdings nicht bedacht, daß wir die Dinger auch irgendwie auf dem Motorrad transportieren müssen. Unsere Gepäcksäcke und Koffer sind auf dem Campingplatz. Kurzerhand stecken wir die Flaggen hinten in unsere Jacken. Ein Stück Stiel mit der eigentlichen Flagge lassen wir oben rausgucken, und so fahren wir zurück zum Lager. ALLE! Norweger grüßen uns von nun an sehr freundlich, winken und lächeln uns zu. Anscheinend haben die Nachfahren der Wikinger einerseits starke Affinität zu ihrer Landesflagge...
Zurück bei den Zelten lassen wir wieder unseren treuen dritten Mann sprechen: Herrn Maggi. Er serviert uns heute zunächst ein Süppchen, als zweiten Gang gibt es Nasi Goreng aus der Dose. Hinter uns steht ein eigenartiges Zelt, eine krude Konstruktion aus den 70er jahren in verblaßten Farben. Zu diesem Zelt gehören zwei freakige Franzosen, mit denen wir noch einen netten Kaffee trinken. Beim Rotwein winken wir ab, wir wollen ja morgen weiterfahren. Die beiden sind zu Fuß unterwegs und erwandern sich Norwegen. Wir haben viel Spaß mit den beiden, bis erneut einsetzender Regen den Abend beendet.
Donnerstag, 04.08.2005 - Achter Tourtag und Einschiffen auf der "STONES"
Tja, das war sie- unsere letzte Nacht im Zelt. Bergen, das "Regenloch Europas" verabschiedet sich standesgemäß: Es gießt wie aus Eimern, und auch im Laufe des Vormittags läßt der Regen kaum nach. Die Einwohner der Hansestadt behaupten steif und fest, daß ihre Kinder schon im Regenmäntelchen zur Welt kommen. Unsere Ausrüstung packen wir somit klatschnaß ein.
Passend zum Wetter ist die Dame an der Rezeption auch eher in Regenlaune: Sie zickt herum und kobert beim Preis nach wie eine Straßendirne von der Reeperbahn. Offensichtlich weiß sie nichts von unserem Spezialtarif. Um 12:45 Uhr haben wir aber alles verladen, unsere Rechnung bezahlt und verlassen den gastlichen Ort. Gegen Abend soll in Jelsa das Schiff "STONES" ankommen und eine Ladung Splitt für Bremerhaven und Bremen übernehmen. Die Reederei ist so freundlich, uns für die Rückfahrt als Gäste an Bord zu nehmen.
Fahrt nach Jelsa: Wehmut kommt auf.
Die Strecke nach Jelsa wird knapp unter 200 Km betragen. Das Wetter nimmt und jegliche Lust auf große Umwege oder Experiemente mit der Strecke. Wir fahren einfach runter- und gut ist. Einen großen Teil werden wir mit Fähren zurücklegen. Die Alternativroute ist sicherlich fahrerisch interessanter, aber wir haben einfach keine Lust. Dementsprechend ist die Fahrt auch relativ langweilig, zumindest verglichen mit dem, was wir vorher erlebt haben. Natürlich ist die Landschaft immer noch wunderschön, auch die Fjorde haben von ihrem Reiz nichts verloren. Aber es beschleicht uns auch eine gewisse Melancholie: Wir sind jetzt definitiv auf dem Rückweg. Während unserer Pausen (wir machen heute weniger als sonst) reden und albern wir nicht soviel wie vorher, jeder hängt seinen Gedanken nach. Die Wegführung ist nicht sonderlich anspruchsvoll, aber das Fahren ist trotzdem ziemlich anstrengend auf den klatschnassen Straßen, mit viel Gepäck (und abgefahrenen Reifen).
Unterwegs nach Jelsa: Warten auf die Fähre.
Kurz vor Erreichen des Anlegers halten wir noch einmal an für ein Zigarettenpäuschen- und verpassen daraufhin die Fähre um 2 Minuten. Der Dampfer ist schon so rappelvoll, daß für zwei Motorräder kein Plätzchen mehr zu finden ist. Wir werden zunächst herangewunken, man versucht uns und unsere Maschinen noch irgendwo hinzustopfen- muß uns dann aber mit einem bedauernden Schulterzucken wieder an Land schicken.
Trotzdem sind wir mehr als pünktlich am Kai in Jelsa. Die "STONES" ist eben erst eingelaufen und fängt gerade mit dem Laden an. Wir stellen unsere Maschinen neben das Schiff und erklimmen erstmal die lange Strickleiter um an Bord zu gelangen. Von der Besatzung (die ich zum größten Teil seit Jahren kenne) und dem Kapitän werden wir freudig begrüßt. Es gibt viele Hände zu schütteln, viele Schultern zu klopfen und viele doofe Scherze zu machen.
Mit langen Seilen holen wir unser Gerödel an Bord und verstauen es in unserer Kabine. Die "STONES" ist deutlich kleiner als die "WESER STAHL", auf der wir nach Narvik gefahren waren. Hier an Bord müssen wir uns eine Kabine mit Etagenbett teilen. Die Kammer ist dafür sehr gemütlich eingerichtet, es gibt ein bequemes Sofa und FÄÄNSEHN! Markus und ich sind beide keine sehr leidenschaftlichen Fernsehgucker, aber nach mehr als zweiwöchiger Abstinenz schalten wir uns nun wie die Irren durch die Programme. Die "STONES" ist mit einer beweglichen Satellitenschüssel ausgestattet, die alle Bewegungen des Schiffs ausgleicht und die Antenne fix auf den Satelliten starren läßt.
An Bord: Die "STONES" ist mit einer beweglichen Satellitenschüssel ausgestattet, die alle Bewegungen des Schiffs ausgleicht und den Autor fix auf den Fernseher starren läßt.
Etwa zwei Stunden später können wir mit der Verladung der Motorräder an Bord beginnen. Mittlerweile macht uns das nicht mehr so nervös, obwohl ein leichtes Drücken in der Magengegend bleibt, als die teuren Maschinen einzeln nach oben schweben. Alles klappt aber völlig problemlos, und unsere Fahrzeuge stehen sehr geschützt unter einem Dach auf dem Achterdeck. Ordentlich verzurrt und mit reichlich Plastik abgedeckt kann nun nichts mehr passieren.
Leicht müde ziehen wir uns wieder in unsere Kammer zurück. Die Regenfahrt hat uns doch mehr angestrengt als wir zunächst bemerkt haben. Der Kapitän hat inzischen einen seiner Jungs beauftragt, die Kabine mit reichlich Cola, Bier und Zigaretten auszustatten. So qualmen wir gemütlich noch ein Feierabendzigarettchen, stoßen mit einem Bier auf eine gelungene Reise an und gehen ziemlich zeitig schlafen.
An Bord: Unser Etagenbett.
Freitag, 05.08.2005 - Erster Seetag auf der Rückreise
Unser Interesse an seemännischen Tätigkeiten hat stark nachgelassen. Wir schlafen bis zum Mittag- auf der Hinreise mit der "WESER STAHL" hätten wir den wachhabenden Offizier auf der Brücke um diese Zeit schon dreimal gelöchert, wo wir denn sind und wie lange wir noch brauchen. Stattdessen treten wir nach einem kurzen Höflichkeitsbesuch frisch, munter und ausgeschlafen zum Mittagessen an. Es gibt Hähnchenkeule, Pommes mit Mayo und frischen Salat. Alles sehr lecker, und vor allem: Nach anderthalb Wochen Maggidose und Tankstellen-Hotdog mal etwas Frischgekochtes.
Völlig erledigt von der harten Arbeit des Mittagessens legen wir uns nocheinmal für ein Nickerchen hin... und wachen erst zum Abendessen wieder auf. So faul war ich, glaube ich, zuletzt während der endlosen Mathestunden in der Schule. Abends gibt es Steaks und Fisch. Wieder alles sehr lecker. Nun gucken wir doch nochmal, ob der mann oben auf der Brücke auch alles richtig macht. Der dritte Offizier Eric Capinig freut sich sichtlich über unseren Besuch. Er zeigt uns die ganze Technik (obwohl wir gar nicht gefragt haben), uns fallen die eklatanten Unterschiede zur "WESER STAHL" auf. Zunächst einmal wird die Brücke die ganze Zeit über mit mehr oder weniger sanfter Musik beschallt. Okay, hier an Bord verrichten ausschließlich Filippinos ihren Dienst, und diese Leute zeichnen sich durch ihre große Musikalität und ihre Hingabe zu allem, was bunt und laut ist, aus.
"STONES": Karten- und Wetterstation auf der Brücke
Die Steuereinrichtungen und Navigationsgeräte machen einen vierl moderneren Eindruck als auf dem Erzfrachter, mit dem wir nach Narvik gefahren sind. Der Eindruck täuscht aber, wie ich weiß. Die "WESER STAHL" ist 32,26 m breit, die "STONES" nur 24,50 m. Allein dadurch drängt sich alles mehr zusammen und wirkt verwirrender. Aber der ganze Aufbau der Brücke unterscheidet sich. Auf der "WESER STAHL" steht mitten in einem großen, sonst ziemlich leeren Raum eine dicke Konsole, auf der Schalter und Hebel angebracht sind. Daneben zwei kleinere Pulte, die die Radaranlage beherbergen. Vor der großen Konsole steht der Mensch, der das Schiff steuert (wenn es nicht auf Autopilot fährt).
"WESER STAHL": Steuerstand auf der Brücke
Die "STONES" dagegen hat eine Art "Cockpit". Die Steuer- und Navigationseinrichtungen sind zusammengefaßt und um zwei Sessel drapiert, die ein wenig an Pilotensitze erinnern. Zentral die elektronische Seekarte, auf der der Kurs abgesteckt ist und drumherum die Anzeigen für Maschine und Kurs. Das macht -muß ich zugeben- optisch wesentlich mehr Eindruck. Insgesamt ist die "STONES" schicker als die "WESER STAHL". Wo bei dem Erzfrachter gestrichener Stahl, PVC Bodenbelag und Kunststoffverkleidungen vorherrschen, besticht der Splittdampfer durch Holzverkleidungen und Teppichboden. Macht alles einen wertigeren, wohnlicheren Eindruck.
Eric hat gute Nachrichten für uns: Wir werden schon morgen Mittag gegen 12:30 Uhr an der Position "Wesertonne" eintreffen. Wie ich aus beruflicher Praxis nur zu gut weiß, werden wir etwa drei Stunden später am Fruchtterminal in Bremerhaven festmachen. Nein, wir haben keine Früchte geladen sondern Steine- aber die sollen am Fruchtterminal gelöscht werden. Ein auffallend gutgelaunter Matrose namens Gilbert Inoceto schneit herein und lädt uns für den späteren Abend auf seine Geburtstagsfeier ein. Markus hat keine große Meinung. Er ist noch müde und kaputt und möchte lieber noch ein bißchen fernsehen und dann ins Bett gehen. Da ich das Geburtstagskind persönlich kenne mag ich aber nicht absagen und beschließe, nachher mal bei der Feier vorbeizuschauen.
SCHNITT!
Ohauerhauerha! Diese Zeilen schreibe ich am nächsten Morgen, und mir ist leicht komisch. Was war da bloß passiert? Langsam setzt mein Erinnerungsvermögen wieder ein und enthüllt alle grausigen Details.
Ich bin gegen 22:00 Uhr runtergegangen in die Mannschaftsmesse. Dort war die ganze Gesellschaft bereits versammelt und das Hallo war riesengroß. Gefühlte 1.000 Leute klopften mir auf die Schultern, und binnen Sekunden hatte ich ein großes Glas Whiskey in der einen und eine Zigarre in der anderen Hand. Eigentlich wollte ich mich nicht besaufen, und ich kenne mein ziemlich geringes Fassungsvermögen für alkoholische Getränke. Aber der Junge hatte Geburtstag und ich muß ja wenigstens mal mit ihm anstoßen. Tja, und nachdem ich das Whiskeyglas mit Cola aufgefüllt und geleert hatte, schmeckte das eindeutig nach mehr.
Die anderen Partygäste hatten die bordeigene Karaokeanlage angeschmissen (ein Filippino ohne Karaoke ist todunglücklich!) und sangen lauthals schnulzige Liebeslieder. Auch mir wurden Liederverzeichnis und Mikro angeboten, aber ich habe zunächst dankend abgelehnt. Ich habe nunmal keine schöne Singstimme und weiß das auch. Und eine Balladenstimme schon gar nicht. Die Seeleute sangen größtenteils ganz wunderbar, wenn auch mit teilweise mit soviel Pathos, das man mit dem heruntertropfenden Schmalz ganze Berge von Broten hätte bestreichen können..
Zwei Stunden und fünf starmme Whiskey-Colas später ließ ich mich dann aber doch breitschlagen, einen Song zum besten zu geben. Meine Wahl fiel auf "Lady in Black", im Original dargeboten von Uriah Heep. Die Jungs waren begeistert und drängten mich dazu, Markus auch noch dazuzuholen. Ich ging also von ganz unten nach ganz oben (komisch! Wieso schaukelte das Schiff denn plötzlich so?) und fand Markus auf dem Sofa liegend vor. Er war gerade im Begriff, sich aufzuraffen und seinen Kadaver ins Bett zu schaffen. Im Grunde ist es ja auch sehr vernünftig, zeitig schlafen zu gehen. Ich merkte an, daß ich "b-bloß noch mal rundergeh unmein G-Glas ausdrinke, undenn *Hipps!* kommich auch ins Bedd! ".
Dreieinhalb Stunden später, mit nochmal drei Getränken im Bauch beschlossen die anderen Partygäste und ich, daß es nun genug sei mit Karaoke. Wir wollten LIVEmusik. Auf dem Schiff gibt es eine ziemlich komplette Bandausstattung. Wir haben dann mit E-Gitarre, Baß und Schlagzeug noch bis in den frühen gerockt. Anschließend habe ich mich bemüht, möglichst leise ins Bett zu kriechen.
"STONES": Schöne Musikinstrumente
Wie Markus mir heute morgen unter lautem Gelächter mitteilt, hat der letzte Punkt des Plans nicht so wirklich gut geklappt...
Ich bin Markus übrigens echt dankbar, daß er so kaputt war. Nun gibt's von der ganzen Session kein einziges Foto, und das ist auch gut so!
Samstag, 06.08.2005: Zweiter Seetag und Tourende
Nachdem ich Markus' Spott ertragen habe, machen wir uns nach dem Mittagessen auf zur Brücke. Wir haben nochmehr Zeit rausgeholt; an der Wesertonne sind wir schon vorbei. Gegen 16:45 Uhr werden wir in Bremerhaven sein. Wir passieren die Leuchttürme "Alte Weser" und natürlich den berühmten "Roter Sand".
"STONES": Wir passieren die Containerkajen von Bremerhaven
Kurz darauf kommt auch schon Bremerhaven in Sicht. Wir passieren die Containerkajen, etwas weiter stromaufwärts legen wir um 16:42 Uhr am Bremerhavener Fruchtterminal an.
Unsere zweite Seereise ist zuende.
Wir greifen zum Telefon und melden uns bei unseren Familien. Alle beteiligten Eltern sind erstmal froh, daß wir heil und gesund in Bremerhaven gelandet sind. Irgendwie bleibt man für seine Eltern immer ein kleiner Junge, um den man sich Sorgen machen und den man behüten muß- auch im zarten Alter von 35 Jahren. Unsere Eltern wohnen drei Häuser voneinander entfernt, und es bedarf nicht vieler Überredungskunst, ein spontanes gemeinsames Grillen zu initiieren.
Die Maschinen sind schnell an Land gesetzt und unser Gepäck verrödelt. Nocheinmal bedanken wir uns herzlich bei der Besatzung und beim Kapitän, schütteln nochmal jedem die Hand- und dann geht's auf zur endgültig letzten Etappe unserer Tour.
Eine halbe Stunde, nachdem wir Bremerhaven verlassen haben, erreichen wir das heimische Garlstedt. Ich drücke meinem bereits wartenden Vater die Videokamera in die Hand, und so werden wir auch noch gefilmt, wie wir nach Hause kommen. Nur Leuten, die sich gut auskennen und die genau hinsehen fällt auf, daß wir auf dem Film aus der falschen Richtung in die heimatliche Straße einbiegen. Markus fährt weiter zum Nachbarhaus. Dort warten seine Mutter, seine Brüder- und vor allem seine Freundin Kristina, von der er immer mehr spricht, je länger er von zuhause weg ist.
Schade für meine weiblichen Leser: Ich weiß ja, daß Markus ein Sahneteilchen ist- aber diese junge Dame hier war schneller als ihr!
Eine knappe Stunde später treffen wir uns alle auf der Terasse meiner Eltern wieder, und bei Grillfleisch Bier und Cola müssen wir wieder und wieder erzählen, was wir in den letzten zweieinhalb Wochen erlebt haben...
-Ende-
Hier nun mal ein ausdrücklicher Dank an meinen Reisegefährten Markus für die vielen tollen Stunden, dafür daß Du meinen Humor ertragen hast und dafür, daß wir uns so gut verstanden haben. Es hat mir einen Heidenspaß gemacht, mit Dir zusammen unterwegs zu sein und ich würde jederzeit wieder mit Dir losfahren!
An dieser Stelle auch noch einmal meinen herzlichen Dank an die Personen und Firmen, die uns diese Reise ermöglicht haben. Das waren insbesondere:
CSL International
Marbulk Shipping, Beverly / USA
Mrs Isabelle Leinster
und Atlantic Marine Limited Partnership Ltd, Hamilton / Bermudas
Mr Suhail Modak
-Reeder und Manager der "WESER STAHL"-
Stema Shipping, Aabenraa / Dänemark
Kristian Bender und Holger Martensen
HJH Shipmanagement GmbH, Cadenberge
Michael Jäger und Wolfhard Klement
- Reederei und Management der "STONES" -
Kapitän Raj M. Pandey und der Besatzung der "WESER STAHL"
Kapitän Orlando S. Lat und der Besatzung der "STONES"
Vielen herzlichen Dank Euch allen für Eure Hilfe,
Unterstützung und Eure ungeheure Gastfreundschaft!
Zuletzt geändert am: 13.07.2015 um 19:55
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So gehts also auch. Nur das mit dem Seegang ... örks. Aber vielleicht habe ich mal genug Urlaub für viiiel Landweg nach Norway. Danke für den Bericht, er hat mir den (Büro-)Alltag versüßt!!!
Ich kann mich meinem Vorredner nur anschliessen: eigentlich wollte ich nur drüberschauen; nur auszugsweise lesen und dann verschwinden. Daraus wurde dann nix und nach sage und schreibe 2.5 Stdt (während der Arbeitszeit *tüdelü*) habe ich mir alle Teile des Reisetagebuchs einverleibt.
Fraro; meinen herzlichen Dank für die erfrischende Schreibweise.
Viele Grüsse
Sandra aká BlauerEngel von den Fazeristis Braunschweig
Würde mich tierisch über eure Antwort freuen.
Doch es war so schön beschrieben und bebildert, dass ich alle Teile ohne Unterbrechung geradezu in mich aufgesogen habe!
Dankeschön!
LG, Balu